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Börsen-Zeitung: Auf Tauchstation

Archivmeldung vom 05.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Für deutsche Privatanleger, die dem Ruf vieler Experten gefolgt sind und Geld über Fonds oder Zertifikate in den Emerging Markets angelegt haben, war das erste Quartal wenig erfreulich. Die zuvor hochfliegenden Aktienmärkte einer ganzen Reihe von Schwellenländern sehen derzeit, was die Performance betrifft, ziemlich alt aus. Die Kursniveaus sind jedenfalls vielerorts auf Tauchstation gegangen.

Das prominenteste Beispiel sind derzeit zweifelsohne die chinesischen Inlandsbörsen, an denen sich über ausgesuchte institutionelle Investoren durchaus auch ausländische Privatanleger tummeln. Seit Jahresanfang hat sich der Leitindex Shanghai Composite um nicht weniger als 35% eingeebnet. Der Leitindex ISE der türkischen Börse hat seit Anfang Januar mehr als 25% abgeben müssen. Und der als Benchmark dienende MSCI Emerging Markets Index hat seit Ende Oktober rund 20% verloren.

Im Vergleich dazu sehen die etablierten Märkte etwas freundlicher aus - obwohl gerade dort und nicht in den Emerging Markets die Banken sitzen, die sich die Subprime-Papiere haben andrehen lassen. So hat der Dax seit Anfang Januar 17% eingebüßt, der S&P 500 aus dem Ursprungsland der Krise sogar nur knapp 7%. Es ist insofern ein scharfer Kontrast zu der Periode zwischen August und Oktober vergangenen Jahres festzustellen, als allein US-Investoren in nur sieben Wochen 24 Mrd. Dollar in die aufstrebenden Aktienmärkte pumpten, was den MSCI Emerging Markets um 50% nach oben hievte.

Angetrieben wurde die Hausse unter anderem durch den soliden Zustand vieler Emerging-Markets-Volkswirtschaften sowie von der Überzeugung, dass es den Schwellenländern gelingen würde, sich im Gegensatz zu früheren Krisen von der drohenden Rezession in den USA abzugrenzen. Die These von der Abkopplung scheint sich zwar bislang noch zu bewahrheiten. Den Anlegern hilft es jedoch nur wenig, da die Kursrutsche von einem anderen Faktor ausgelöst worden sind: Investoren aus den USA, Europa und Japan haben Mittel abgezogen, weil sie diese anderswo dringend benötigten. Die Mittelabflüsse können dabei durchaus dramatische Ausmaße annehmen. So zogen beispielsweise US-Anleger im Januar in einer einzigen Woche 11 Mrd. Dollar ab.

Damit zeigt sich, dass die Kursniveaus der aufstrebenden Märkte in einem hohen Maß von den Entscheidungen von Investoren aus der Ersten Welt abhängig sind. Es wird geschätzt, dass Investoren aus den USA, Europa und Japan mehr als 200 Mrd. Dollar in die Emerging Markets gepumpt haben, bei einer Marktkapitalisierung der Länder von insgesamt lediglich 1,5 Bill. Dollar.

Platzen der Blase

Es gibt noch einen weiteren Grund für die schwache Performance. Was derzeit geschieht, ist das Platzen einer Überbewertungsblase in zumindest einigen Märkten. Am deutlichsten ist dies in China zu erkennen, weil es dort Unternehmen gibt, die sowohl an den Inlandsbörsen als A-Aktien als auch in Hongkong als H-Aktien notiert sind. Im Juli vergangenen Jahres wiesen diese H-Aktien gegenüber den A-Aktien eine durchschnittliche Überbewertung von 113% auf. Aktuell ist sie immerhin schon auf 39% geschrumpft.

Trotz der guten makroökonomischen Fundamentaldaten und der politischen Stabilität vieler Schwellenländer müssen sich Investoren zudem darauf einstellen, dass einzelne Märkte gnadenlos abgestraft werden, wenn sich das Bild trübt. Dies haben jüngst in der Türkei engagierte Anleger erfahren müssen. Die Emerging Markets weisen also immer noch ein hohes Rückschlagpotenzial in Krisenzeiten und grundsätzlich eine hohe Volatilität auf.

Langfristig aber dürften die Emerging Markets größere Anlagechancen bieten als die etablierten Märkte, sofern sich die Erkenntnisse aus der Vergangenheit auch auf die Zukunft übertragen lassen. Wie der anerkannte Emerging-Markets-Experte Mark Mobius errechnet hat, gab es bei Schwellenländeranlagen in den vergangenen 20 Jahren acht Baissen und Haussen. Die Korrekturen dauerten im Durchschnitt sechs Monate und führten zu Wertverlusten von 33%. Die sich anschließenden Bullenmärkte dauerten im Mittel 24 Monate und führten zu Wertzuwächsen von 124%.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Dieter Kuckelkorn)

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