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BERLINER MORGENPOST: Im Zweifel für die Menschlichkeit

Archivmeldung vom 09.06.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.06.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es reicht nicht, Menschenschlächter wegzuwünschen. Man muss sie zwingen, notfalls militärisch. Dass Gaddafi Buße tut und ein Flugticket nach Den Haag bestellt, ist nicht zu erwarten. Die "politische Lösung", mit der ein ratloser deutscher Außenminister den Nato-Gipfel nervte, gibt es nicht. Zuvor muss die internationale Koalition kämpfen. Das ist schwerer als gedacht.

Schwer, weil Gaddafis Truppen über Hardware und Ausbildung verfügen, wie sie den Aufständischen fehlen. Schwer auch, weil Gaddafi seine Panzer in Wohnquartieren eben der Bevölkerung versteckt, die es zu schützen gilt. Chirurgische Schläge, im Manöver perfekt, sind im Gewirr der Städte nicht praktikabel. Schwer auch deshalb, weil im UN-Sicherheitsrat die Vetomächte Russland und China - von Deutschland zu schweigen - mahnen, dass das Mandat nicht mehr umfasst als Verhinderung weiterer Massaker. Im Text ist das Ziel absichtsvoll unklar umrissen, wie die zulässigen Mittel: Flugverbot ja, aber nicht Okkupation. Dazwischen ist der Einsatz von Bodentruppen, sofern humanitär begründet, gerade noch denkbar. Immer bleibt die Frage nach dem Endspiel. Sie verlangt konstruktive Antwort, sofern man nicht die Hoffnung darauf setzt, dass der starke Mann von Tripolis vom Teufel geholt, von seinen Knechten umgebracht oder zur Demokratie bekehrt wird. Nichts davon ist absehbar. Das Endspiel, das der Westen öffentlich anbietet, ist für Gaddafi nicht attraktiv. Immer noch hofft der Diktator, dass sich die Koalition gegen ihn zerlegt. Auch kann er im Fernsehen studieren, was in Den Haag auf seinesgleichen wartet. Wie aber dann mit Gaddafi verfahren, ohne seine Untaten unter den Teppich des großen Vergessens zu kehren? Soll man ihm Wege ins vergoldete Asyl eröffnen, zu Freund Chávez in Venezuela vielleicht oder zum alten Waffenlieferanten Nordkorea? Die Reihe der Tyrannen, die das eigene Volk "wie Ratten" - so die Wortwahl des Gaddafi-Clans - verfolgen, hat mit Milosevic nicht angefangen und wird mit Gaddafi nicht enden. Umso notwendiger ist es, einen Modus zu entwickeln, der dem humanitären Völkerrecht entspricht, zugleich aber Tyrannen einen Ausweg eröffnet, bevor sie die Menschen fressen. Es muss denkbar sein, liberalen Interventionismus und strategischen Pragmatismus zu verbinden und zugleich via UN Allgemeinverbindlichkeit zu entwickeln. Für freies Experiment ist die Welt zu zerbrechlich. Entsteht dadurch Vollmacht zum Übeltun in der Gewissheit, dass am Ende eine Villa auf sicherem Grund winkt, dass Strafverfahren in Den Haag nur die Unteren treffen und nicht die Oberen, und dass die gehorteten Reichtümer den Lebensabend verschönern? Das widerspricht dem Rechtsempfinden. Muss man aber nicht dagegenhalten, was an Blutvergießen, Qual und Vernichtung gegebenenfalls den Menschen am leidenden Ende zu ersparen wäre? Es gibt keine abschließende Antwort. Es ist bitter, wenn Verteidigung der Gerechtigkeit und Bewahrung der Menschlichkeit gegeneinanderstehen. Vielleicht sind allgemeine Regeln nicht zu finden. Oder, wenn doch, nicht durchsetzbar. In solchem tragischen Konflikt gebührt der Menschlichkeit der Vorrang.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)

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