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Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum neuen Medienstar Schäfer Heinrich

Archivmeldung vom 24.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Bauer wird Star. Noch nie in der Geschichte war es so einfach, bekannt zu werden. Bis zu acht Millionen Menschen verfolgen jeden Montag am Fernseher, wie einsame Landwirte Frauen den Schweinestall zeigen, ihnen selbstgemachte Wurst aufs Brot legen und mehr oder weniger ungelenk zarte Bande zu knüpfen versuchen.

Anstatt zum Objekt der Belustigung zu werden, avanciert der singende Schäfer Heinrich zum Medienstar. Er wird von Party zu Party weitergereicht, singt vor johlender Menge sein Lied und schreibt, umringt von jungen Damen, Autogramme. »Wahnsinn«, sagt Heinrich und schüttelt selbst den Kopf. Er weiß nicht so recht, wie ihm geschieht. Eigentlich sucht er mit Hilfe des Fernsehens nur eine Frau. Und dann ist er plötzlich ein Star. Die Berichterstattung hat sich verselbständigt. Bis zum Fernsehzeitalter entschieden die Herkunft, Geld und außergewöhnliche Begabungen darüber, ob jemand über die Grenzen seiner Stadt hinaus bekannt wurde. Im Mittelalter konnte kein Mensch ein Star werden, da durfte nur Gott angebetet und gerühmt werden. Bis die Französische Revolution 1789 die Herrschaft des Adels brach, bildete vornehme Abstammung die Voraussetzung für eine Karriere in Politik und Militär. Lediglich Musik, Literatur und Wissenschaft boten einem Bürgerssohn Gelegenheit, sich aus der grauen Masse hervorzuheben. Ohne solides Wissen und Begabung ging nichts, das Bildungsbürgertum hieß nicht ohne Grund so. Waren die Stars früher Mozart und Schiller, heißen sie heute Bohlen und Pocher. Das Fernsehzeitalter hat das jahrhundertealte Verständnis von Berühmtheit verändert: Heute sind außergewöhnlichen Talente kein Muss mehr, um im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen. Schon der Mut, vor die Kameras zu treten, kann reichen, damit jemand zum Star wird. So wie der singende Schäfer Heinrich in »Bauer sucht Frau«: Er hat die Courage, seine Schüchternheit im Umgang mit Frauen vor einem Millionenpublikum zu offenbaren. Das Fernsehen hat den Weg zum Star beliebig gemacht, Berühmtheit vervielfacht. Gefeiert wird, wer viel kann, aber auch, wer einfach so ist, wie er ist. Großartige Musiker wie Herbert Grönemeyer sind heute genauso Stars wie singende Schäfer aus dem Sauerland. Ist diese Entwicklung bedauerlich oder erfreulich? Ersteres. Denn das Fernsehen hat Berühmtheit nicht nur beliebig, sondern auch schnelllebig gemacht. Den singenden Schäfer Heinrich kennt in drei Jahren niemand mehr. Und außerdem: Wer dadurch bekannt wird, dass er in einem Dschungelcamp Kakerlaken verspeist, ist ein fragwürdiger Star. Er kommt in kein Geschichtsbuch. Komponist Beethoven, Dichter Heine, Politiker Bismarck, Wohltäterin Mutter Theresa und Weitsprungolympiasiegerin Heike Drechsler stehen bereits drin, weil sie auf ihrem Gebiet Großartiges geleistet haben. Deshalb können wir dem singenden Heinrich alles Gute bei der Suche nach einer Frau wünschen, aber wir sollten ihn nicht Star nennen.

Quelle: Westfalen-Blatt

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