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Südwest Presse: Stochern im Nebel

Archivmeldung vom 30.09.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.09.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Jubel der schwarz-gelben Koalition über ihre scheinbare Geschlossenheit wird rasch verhallt sein, der Schatten der europäischen Schuldenkrise aber liegt weiter auf der Bundesregierung. Daher sagt die (Kanzler-)Mehrheit, zu der sich Union und FDP bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm im Bundestag aufgerafft haben, ungefähr so viel über die künftige Belastbarkeit des bürgerlichen Lagers aus wie ein Hochzeitsfoto über die dauerhafte Qualität einer Ehe. Es ist bloß eine Momentaufnahme.

Diesem Stresstest werden in den nächsten Monaten weitere Zerreißproben folgen, die den Zusammenhalt des ohnehin fragilen Bündnisses noch viel stärker herausfordern werden. Eine FDP, die demoskopisch ins Bodenlose abstürzt, verleiht der Koalition ebenso wenig Solidität und Berechenbarkeit wie eine CSU, die sich unter Anleitung ihres Vorsitzenden Horst Seehofer immer wieder von ihrer Parteischwester CDU absetzt, und zwar nicht allein in eher nachrangigen Fragen wie der Pkw-Maut. Und wie steht es um die Bundeskanzlerin? Es braucht keinen US-Präsidenten Barack Obama, der die Enttäuschung seiner eigenen Anhänger auf die mutlosen Europäer umzulenken versucht, um bei der deutschen Regierungschefin einen Mangel an Führungskraft und Weitsicht zu diagnostizieren. Angela Merkel stochert als Krisenmanagerin im Nebel, und es war bezeichnend für ihre Orientierungslosigkeit, dass sie in der gestrigen Debatte beharrlich schwieg. Dabei ging es doch nicht nur um die Zukunft der gemeinsamen Währung und der Europäischen Union insgesamt, sondern zugleich um ihre persönliche Macht sowie den Bestand einer Koalition, die zur Halbzeit der Wahlperiode einen beklemmenden Ansehensverlust zu beklagen hat. Es ist nur ein schwacher Trost, dass auch andere politische Führer zurzeit keine bessere Figur machen als Angela Merkel. Das liegt daran, dass die Staatengemeinschaft von irrationalen Finanzmärkten vor sich hergetrieben wird - von einer Kalamität in die nächste. Schon wird hinter den Kulissen die Ausweitung der gerade vereinbarten Euro-Hilfen vorbereitet, weil das jetzt beschlossene Volumen nicht reichen wird. Wie aber sollen die Bürger einem Mechanismus trauen, der seine eigene Dynamik entwickelt und sich politischer Steuerung wie parlamentarischer Kontrolle entzieht? Viele Koalitionsabgeordnete sehen diese unheilvolle Entwicklung kommen, aber sie haben sich einstweilen der Disziplin innerhalb des Regierungslagers gefügt. Doch der Tag ist nicht fern, da sich die Bedenken nicht weiter unterdrücken lassen. Wenn der Bundestag Anfang 2012 über den ständigen Rettungsschirm ESM abstimmen muss, könnte Angela Merkel gezwungen sein, diese Entscheidung mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen, weil anders ihre eigene Mehrheit nicht mehr zu sichern ist. Bislang laviert die Kanzlerin, und ihr Finanzminister verschleiert aus Furcht vor Turbulenzen in der Koalition und unter den Wählern die ganze Wahrheit über das Ausmaß der finanziellen Folgen aller aktuellen und noch beabsichtigten Notmaßnahmen für den deutschen Steuerzahler. Diese fortgesetzte Unaufrichtigkeit gefährdet nicht nur die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung, sondern am Ende die Stabilität unserer Demokratie. Daher sollten sich auch die Protestantin Angela Merkel und ihre Koalition ein Wort zu Herzen nehmen, das Papst Benedikt XVI. jüngst in seiner bemerkenswerten Rede im Freiburger Konzerthaus der katholischen Kirche ins Stammbuch geschrieben hat: "Vielmehr gilt es, jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen."

Quelle: Südwest Presse (ots)

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