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BERLINER MORGENPOST: Was wir den Kindern schuldig sind

Archivmeldung vom 22.07.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.07.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Empörung über elfjährige Drogenkuriere auf Berliner U-Bahnhöfen darf den Blick auf den zentralen Aspekt des Problems nicht verstellen: Es handelt sich trotzdem um Kinder. Kein Elfjähriger kommt von sich aus auf die Idee, Heroinkügelchen im Mund zu transportieren. Er wird dazu angeleitet oder sogar gezwungen. Dass die Drogenmafia dabei vor allem auf alleinstehende Kinder aus Nordafrika zurückgreift, ist besonders perfide.

Alle Kraft der Ermittlungen muss sich daher auf die Hintermänner dieser menschenverachtenden Praxis richten. Wie kommen die Kinder in Kontakt mit den Händlern, wie können sie vor solchen Missbräuchen geschützt werden? Natürlich muss es möglich sein, die Kuriere dauerhaft aus den kriminellen Milieus fernzuhalten. Sollte es einer Einrichtung im Stadtgebiet nicht gelingen, dann in der Mark Brandenburg. Vor einem Jahr haben die Berliner Behörden ein sozialisierungsunwilliges Kind sogar in eine Einrichtung nach Kasachstan geschickt, um es vor seinem Umfeld wirksam zu schützen. Ist das übertrieben? Nein. Wenn so verhindert werden kann, dass der Junge ein Leben lang auf Sozialleistungen angewiesen ist oder nachhaltig straffällig wird, ist das Geld sinnvoll investiert. Darin sind sich alle Experten seit Langem einig. Besorgniserregend ist dagegen, dass sozial verwahrloste Kinder offenbar keine Einzelfälle mehr sind. Dabei spielt keine Rolle, ob sie von ihren Eltern aus dem Ausland geschickt werden oder hier geboren sind. Wenn Jugendrichter und Polizisten aus ihrem täglichen Erleben berichten, dass in sozialen Brennpunkten eine ganze Generation perspektivloser Schulabbrecher heranwächst, sollten alle Alarmglocken des Gemeinwesens klingeln. Das Fehlen jeglicher Werteordnung oder grundlegender Bildungserfolge ist für eine Stadt nicht hinnehmbar. An dieser Stelle Gleichgültigkeit zu zeigen bedeutet, in ein paar Jahren draufzuzahlen. Es kann als berufliches Vermächtnis der Jugendrichterin Kirsten Heisig angesehen werden, diese Entwicklung als eine der Ersten erkannt und bekämpft zu haben. Ihr in der kommenden Woche erscheinendes Buch ist dabei allerdings von einer beunruhigenden Skepsis gekennzeichnet. Es reicht demnach nicht aus, die Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Zusammenarbeit aller beteiligten Ämter und Einrichtungen zu schaffen. Die Strukturen müssen mit Leben erfüllt werden, um Erfolge zu erzielen. Kaum jemand hat das überzeugender vorgelebt als die tragisch aus dem Leben geschiedene Richterin. Ihre Entschlossenheit gegen Jugendkriminalität und Verwahrlosung muss stilbildend für den Berliner Weg sein. Die Stadt kann es sich einfach nicht leisten, das friedliche Zusammenleben durch Parteienstreit, unsinnige Diskussionen über Zuständigkeiten, den Hinweis auf Sparzwänge oder Personalnot aufs Spiel zu setzen. Das sind wir allen Berliner Kindern schuldig.

Quelle: BERLINER MORGENPOST

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