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Börsen-Zeitung: Verquere Logik

Archivmeldung vom 01.09.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.09.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

An den Finanzmärkten bestimmt zurzeit ein einziges Thema die Agenda: Wann und in welchem Umfang werden die Europäische Zentralbank (EZB) und die amerikanische Fed neue Anleihekaufprogramme starten, um auf diese Weise die Schuldenkrise zu bewältigen bzw. der lahmen US-Konjunktur auf die Sprünge zu helfen? Fed-Chairman Ben Bernanke hat auf dem Notenbanker-Treffen in Jackson Hole die von den Marktteilnehmern erhoffte Antwort nicht gegeben. Er bekräftigte lediglich die Absicht der amerikanischen Währungshüter, der Wirtschaft mit Anleihekäufen unter die Arme zu greifen, wenn dies notwendig werden sollte. Ein konkretes Kaufprogramm kündigte er jedoch nicht an.

Mit Spannung warten die Marktteilnehmer nun auf die Sitzung der EZB am kommenden Donnerstag. EZB-Präsident Mario Draghi hat mit seiner Ankündigung, die Notenbank werde alles Erforderliche tun, um den Euro zu erhalten, Erwartungen über umfangreiche Staatsanleihekäufe geschürt. Allein die Ankündigung hat gereicht, den unter Druck stehenden Peripheriestaaten Italien und Spanien die Mittelbeschaffung an den Kapitalmärkten zu deutlich niedrigeren Zinsen zu ermöglichen.

Allerdings muss Draghi nun auch liefern, um eine neuerliche Verschärfung der Staatsschuldenkrise zu verhindern. Am Donnerstag steht er damit vor einer schwierigen Aufgabe. Da das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rettungsfonds ESM erst am 12. September fällt, wird Draghi möglicherweise noch nichts Definitives zu Anleihekäufen sagen. Es wird für ihn daher darauf ankommen, seine Worte so zu wählen, dass die zuversichtlichen Erwartungen der Marktteilnehmer trotzdem aufrechterhalten bleiben. Zudem haben die Euro-Währungshüter die Möglichkeit, mit einer Leitzinssenkung und/oder neuen langfristigen Refinanzierungsgeschäften die Märkte bei Laune zu halten.

Bemerkenswert ist bei alldem die verquere Logik, nach der die Märkte derzeit agieren. So werden Daten, die ein eher positives Bild zeichnen, negativ aufgenommen, weil befürchtet wird, dass es doch nicht zu den erhofften Staatsanleihekäufen der Fed kommen wird. Als hätte der Aktienmarkt nichts so sehr zu fürchten wie eine florierende Wirtschaft! Doch wie steht es um die Weltwirtschaft? Die gerade beendete Woche lieferte eine Reihe negativer Signale, mit denen sich die Marktteilnehmer ebenso intensiv auseinandersetzen sollten wie mit der Politik der Notenbanken. So wurden in der asiatisch-pazifischen Region in sämtlichen führenden Ländern, d.h. China, Japan, Südkorea und Australien, schwache Konjunkturdaten veröffentlicht. In China sank der Eisenerzpreis aufgrund deutlich abgeschwächter Nachfrage auf das tiefste Niveau seit drei Jahren. An der Hongkonger Börse sackten die Aktien der chinesischen Containerschifffahrtsunternehmen China Shipping Container Lines und China Cosco ab, nachdem die Gesellschaften erheblich ausgeweitete Verluste ausgewiesen hatten.

Die Sommer-Rally am Aktienmarkt, die von jener Ankündigung Draghis ausgelöst wurde, erfolgte vor dem Hintergrund nach unten zeigender Konjunkturindikationen und Wachstumsprognosen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, sodass abzuwarten bleibt, ob die erhoffte Bodenbildung auch wirklich bald erfolgt. Ein wichtiger und in der Vergangenheit recht zuverlässiger Indikator für die Weltwirtschaft, der Massengutfrachtraten abbildende Baltic Dry Index, sank am Freitag auf 703 Punkte. Das ist kein gutes Omen. In der ersten Juli-Dekade erreichte er noch Höhen von 1160 Zählern. Nicht gerade beruhigend auch der jüngste Befund von Moody's. In ihrem aktuellen weltwirtschaftlichen Ausblick erklärte die Ratingagentur, dass die Abwärtsrisiken seit dem April noch zugenommen hätten. Neben einer Verschärfung der Rezession im Euroraum verwies Moody's auf das Risiko einer harten Landung in großen Schwellenländern wie China und Indien, eines Ölpreisschocks aufgrund der Konflikte im Mittleren Osten und in den USA Anfang 2013 drohender Haushaltskürzungen.

Vor diesem Hintergrund verdienen die Konjunkturdaten der neuen Woche mindestens genauso viel Aufmerksamkeit wie die Notenbanken. Dazu zählt insbesondere am Freitag der US-Arbeitsmarktbericht vom August. Bereits am Dienstag steht der Konjunkturindex des Institute for Supply Management für das verarbeitende Gewerbe vom August an. Weist dieser viel beachtete Index einen Wert von mehr als 50 Punkten auf, zeigt er Expansion an, unterhalb von 50 Zählern signalisiert er Kontraktion. Laut Bloomberg erwartet der Konsens den Index bei 50 nach 49,8 Punkten.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)

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