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Berliner Morgenpost: Eine Preisträgerin, die noch zu entdecken ist

Archivmeldung vom 09.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Man könnte meinen, es habe eine besondere Bewandtnis mit den Neunerjahren. 1929, zehn Jahre nach der Gründung der Weimarer Republik und am Beginn ihrer finalen Krise, erhielt Thomas Mann den Literatur-Nobelpreis. Wie kaum ein anderer galt er in der Welt als ein kultureller Repräsentant dieser von innen bedrohten ersten deutschen Demokratie.

1999, zehn Jahre nach dem Fall der Mauer und zum Ausklang des Jahrhunderts der Totalitarismen, ging die höchste literarische Auszeichnung an Günter Grass, der wie kaum ein anderer als Repräsentant der Bundesrepublik und ihres kulturellen Mainstreams galt und gilt. Und nun, noch einmal zehn Jahre später, pünktlich zum 20.Jahrestag des Mauerfalls, wieder ein "deutscher" Nobelpreis: Herta Müller war Außenseiterin unter denen, die als mögliche Kandidaten genannt wurden. Gerade hatte der Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie, Peter Englund, mit seiner Kritik am "Eurozentrismus" des Nobelpreiskomitees noch einmal die Erwartung beflügelt, es werde in diesem Jahr ein Nicht-Europäer ausgezeichnet, also etwa Philip Roth, der ewige Kandidat, oder Bob Dylan oder Joyce Carol Oates oder Amos Oz. Groß ist nun die Überraschung, in die sich auch Ratlosigkeit mischen mag, über die mögliche Botschaft dieser Preisvergabe an eine aus Rumänien stammende deutsche Autorin, die noch vor dem Sturz Ceausescus und dem Verschwinden des Eisernen Vorhangs ihre Heimat Richtung Bundesrepublik verließ. Beim Rätseln, was das zu "bedeuten" habe, sollte man die Finger von jeglicher Zahlenmystik und die Neun als Schicksalszahl der Deutschen aus dem Spiel lassen. Den runden Jahrestagen und Jubiläen, die in diesem Neunerjahr 2009 in Deutschland begangen werden, wollten die Schweden sicherlich nicht noch einen Feieranlass hinzufügen oder gar den Ehrenschein für ein literarisches Werk auf das Land abstrahlen lassen, in dem es größtenteils entstand. Herta Müller geht das Repräsentative, das gewissermaßen Staatstragende ab. Sie ist keine deutsche Nationaldichterin, sondern eine, die, wie es in der Preisbegründung heißt, "Landschaften der Heimatlosigkeit" zeichnet. Die Heimatlosigkeit kommt aus der Erfahrung des Totalitarismus, der Allgegenwart von Angst, Misstrauen und Gewalt. Herta Müller verlor ihre Arbeit als Übersetzerin, weil sie sich weigerte, mit dem Geheimdienst Securitate zusammenzuarbeiten. Ihre Mutter hatte die Repression der Deutschen in Rumänien in den ersten Nachkriegsjahren erlitten und war in den Gulag deportiert worden. 1987 reiste Herta Müller aus. Die Erinnerung an die Ceausescu-Diktatur und die Schwierigkeit, im Westen heimisch zu werden, bilden den biografischen Rohstoff ihrer Literatur. Ihr Werk verarbeitet also historische Erfahrungen einer deutschen Minderheit in einer europäischen Region, die auch heute noch am Rande liegt. Doch ihr Anspruch ist universell. Genau das ist durch den Nobelpreis gewürdigt worden. Er stellt eine Dichterin ins Licht, die für viele noch zu entdecken ist.

Quelle: Berliner Morgenpost

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