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Börsen-Zeitung: Suche nach Momentum

Archivmeldung vom 19.02.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Daimler-Chef Dieter Zetsche wirkte bei der Vorlage der Jahreszahlen 2009 ziemlich gelassen und relativ entspannt - und das obwohl er einen Konzernverlust von 2,6 Mrd. Euro für das abgelaufene Geschäftsjahr verkünden musste. Dies muss etwas mit den Personalentscheidungen der vergangenen Wochen zu tun haben, so viel scheint sicher.

Es muss Zetsche wie eine Genugtuung vorkommen, dass sein Vertrag als Vorstandschef und Verantwortlicher für die Pkw-Sparte gerade um drei Jahre verlängert wurde. Noch im Herbst wurde kräftig an seinem Stuhl gesägt. Dies ging so weit, dass der Name Wendelin Wiedeking als potenzieller Nachfolger bereits die Runde machte. Nun sitzt Zetsche also wieder fest im Sattel und hat ab sofort mit Wolfgang Bernhard im Vorstand einen Mann an seiner Seite, mit dem er schon einmal bei Chrysler in derselben Konstellation gut harmonierte, er als Boss, Bernhard als Vize.

Auch mehrere seiner Aussagen verdeutlichen die positive Stimmungslage des Konzernlenkers. Nach der kontrollierten Defensive 2009 spiele Daimler ab 2010 wieder auf Angriff. Die Weichen dafür seien gestellt. Die Führungsmannschaft stehe, lässt er die Journalisten wissen, die auf der Jahres-PK zugegen sind.

Einmal abgesehen davon, ob sich ein Umsatzrückgang um ein Fünftel und ein Verlust von 2,6 Mrd. Euro wirklich als "kontrollierte Defensive" bezeichnen lassen dürfen. Die Abteilung Attacke muss sich erst noch beweisen. Zumindest die Angriffsziele hat Zetsche schon einmal formuliert, und zwar so dezidiert wie selten zuvor zu einem so frühen Zeitpunkt im Jahr.

Für jeden Geschäftsbereich verkündet wurde eine Vorhersage für das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, das sich 2010 auf Konzernebene zu einem Ebit von mehr als 2,3 Mrd. Euro summieren soll. Gegenüber dem negativen Ebit 2009 von 1,5 Mrd. Euro eine deutliche Ergebniswende.

Dazu, wie Daimler zum Ergebnisziel kommen soll, bleibt Zetsche aber vage. Halbwegs greifbare Aussagen zu Absatz und Umsatz lässt er sich nicht entlocken. Zetsche spricht vom Momentum, das im Jahresverlauf 2009 eindeutig zugenommen habe, und vom hohen Drehmoment, mit dem Daimler aus der Krise komme, was angesichts des positiven operativen Trends nicht von der Hand zu weisen ist. Im Konzern verbesserten sich die operativen Ergebnisse im abgelaufenen Jahr von Quartal zu Quartal, ab dem dritten Vierteljahr lagen sie wieder oberhalb der Nulllinie.

Ob das Drehmoment aber hoch genug ist, um die aufgestellten Ziele zu erreichen, lässt sich mit Blick auf die weiterhin existierenden Unsicherheiten und möglicherweise neu aufflammenden Risiken in der Industrie und in deren Umfeld nicht sagen. Sicher, Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen brachten 5,3 Mrd. Euro, womit die ursprünglich anvisierte Marke von 4 Mrd. Euro klar übertroffen und die Kostenbasis deutlich verringert wurde. Und wird das bereinigte Ebit des vierten Quartals von 600 Mill. Euro für eine Hochrechnung herangezogen, liegt das Ziel 2010 von 2,3 Mrd. Euro jedenfalls eindeutig in Reichweite.

Auf Basis dieser Rechnung bräuchte es jedenfalls keine Fantasie, um die aufgesetzten Ziele zu erreichen. Auch hatten die Analysten bislang teils deutlich höhere Erwartungen an den operativen Gewinn des laufenden Jahres. 3 Mrd. Euro waren da keine Ausnahme. Dies könnte neben dem als Ausnahme deklarierten Dividendenausfall ein zweiter Grund sein, warum die Daimler-Aktie nach der Bekanntgabe der Zahlen abgestraft wurde.

Ist Zetsches Vorgabe nur konservativ, oder erkennt er trotz quantifizierter Jahresziele noch Risiken, die es zu meistern gilt, bevor aus der Prognose Realität wird? Zwar sollen in diesem und dem nächsten Jahr insgesamt 16 neue Modelle in den Verkaufsräumen stehen, meist sind dies aber Derivate mit eher geringeren Stückzahlen. Im Kompaktwagensegment sind erste Nachfolgemodelle der A- und B-Klasse für Ende 2011 angekündigt. Die Butter auf dem Brot muss in diesem Jahr eindeutig die E-Klasse liefern. Sie verkauft sich gut, bekommt aber in wenigen Wochen mit dem neuen 5er-BMW ernsthafte Konkurrenz.

Auch eine Antwort auf die deutlich fallenden Verkäufe der Ein-Modell-Marke Smart steht aus. Die Auffächerung auf immer mehr Derivate zieht den auf Lifestyle bedachten jungen urbanen Käufer offenbar nicht mehr sonderlich stark an. Zwar scheint die Kooperation mit Renault im Kleinwagensegment so gut wie beschlossene Sache, auch wenn Zetsche selbst da gebetsmühlenartig betont, das Ob, Wie und mit Wem sei nicht geklärt. Aber bis aus einer Partnerschaft ein neues Modell wie beispielsweise ein Viersitzer oder ein Mini-SUV wird, dessen Absatz dann auch Deckungsbeiträge liefert, wird es sicher 2011 werden.

Dass sich die Daimler-Spitze entgegen den allgemeinen Erwartungen entschieden hat, keine Dividende zu zahlen, ist zu begrüßen, auch wenn die Investoren enttäuscht reagierten. Cash bleibt ein hohes Gut in den aktuell unsicheren Zeiten für die Autoindustrie.

Quelle: Börsen-Zeitung

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