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Börsen-Zeitung: Kostspielige Unkultur

Archivmeldung vom 26.07.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.07.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die jüngste Querele bei Siemens geht so: Da will ein Aufsichtsratschef (Gerhard Cromme) den Vertrag eines Vorstands (Chefjurist Peter Solmssen) erneuern, ein Teil des Unternehmens hat aber Einwände - die zweite Amtszeit ist also kein Selbstläufer, wie diese Zeitung schon am Freitag schrieb. Na und, mag man fragen. Schließlich ist das Schachern um Pöstchen für die breitere Öffentlichkeit meist nur von voyeuristischem Interesse. Doch dieser Fall ist etwas Besonderes. Er ist sogar geeignet, die Moral bei Siemens zu untergraben.

Was ist geschehen? Die Geschichte ist kompliziert, die Kurzform lautet so: Konzernchef Peter Löscher stieg 2009 aus der Atom-Partnerschaft mit Areva aus und kündigte einen Rosatom-Deal an. Solmssen gab dafür grünes Licht. Die Rechtmäßigkeit sei untermauert worden durch interne und auch externe Gutachten, heißt es im Unternehmen. Doch ein internationales Schiedsgericht zerriss die Argumentation der Münchner. Siemens muss netto 440 Mill. Euro Strafzahlung verbuchen.

Dieser Betrag ist aber nicht einmal die halbe Wahrheit. Der Ausstieg kostet sogar 1 Mrd. Euro nach Steuern, wenn man den Ertrag vergleicht mit jenem Wert, der vermutlich bei einem geregelten Rückzug steuerfrei in die Siemens-Kasse geflossen wäre. Hinzu kommen noch "weiche" Kosten, schließlich darf Siemens Areva jahrelang keine Konkurrenz rund um die Nukleartechnik machen, hält für das Atomgeschäft aber eine ganze Mannschaft vor. Mächtig ins Kontor schlagen auch die Beraterkosten.

Aus drei Gründen darf ein Aufsichtsratschef hier nicht zum Alltag übergehen. Erstens verdienen die extern erstellten Schriftstücke das Wort "Gutachten" nicht, denn sonst müssten diese Gutachter auf Schadenersatz verklagt werden können. Zweitens war der Ausstieg jenseits juristischer Fragen katastrophal schlecht gemanagt. Durch das Vorziehen der Verkaufsoption für einen maßvollen Preis wäre der Ausstieg ebenfalls früher gelungen, hätte man das Areva-Management nicht so brüskiert. Drittens: Wenn die oberste Führungsriege mehr als 1 Mrd. Euro einfach so zum Fenster herauswerfen darf, wird dies die Moral im operativen Management verderben.

Selbst wenn man kein Fehlverhalten sieht: Irgendjemand muss wenigstens die politische Verantwortung übernehmen - oder sonstige Konsequenzen sind zu ziehen. Es geht nicht um die Person Solmssen. Es geht um die gute Unternehmenskultur. Zu den Aufgaben eines Aufsichtsratschefs gehört es, diese Kultur zu verteidigen. Sonst kostet der Areva-Ausstieg mehr als "nur" Geld.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)

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