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Börsen-Zeitung: Stumpfes Schwert

Archivmeldung vom 01.10.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.10.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Am Oberlandesgericht Braunschweig hat vier Jahre nach Bekanntwerden des Dieselabgasskandals das Musterfeststellungsklageverfahren gegen Volkswagen begonnen. Auch wenn wohl ein Herbststurm im Norden dazu beitrug, dass es zum Auftakt im Auditorium des in die Stadthalle verlagerten Gerichtssaals einige Lücken gab: Die öffentliche Aufmerksamkeit ist groß, mit dem Prozess wird Rechtsgeschichte geschrieben.

Im Eilverfahren hatte die Große Koalition in Berlin im vergangenen Jahr das Gesetz für die neue Klageform verabschiedet. Verbraucher in Deutschland sollen künftig schnell, unbürokratisch und kostengünstig gegen rechtswidriges Verhalten und Täuschung durch Konzerne vorgehen können, so die Botschaft. Konkret ging es darum, Dieselkäufern, die sich durch die Tricksereien von VW geschädigt sehen, eine Sammelklage zu ermöglichen, ehe Ansprüche verjähren. Doch verglichen mit der Rechtslage in den USA, wo VW rasch Milliarden unter anderem zur Entschädigung einer halben Million Dieselfahrer aufwendete, um Planungssicherheit zu erreichen, ist auch das Instrument der Musterfeststellungsklage ein stumpfes Schwert.

Der Vorsitzende Richter im Braunschweiger Verfahren gab in einer ersten Einschätzung der materiellen Rechtslage zu erkennen, dass für den Fall der Feststellung eines Schadenersatzanspruchs eine Nutzungsentschädigung bei der Ermittlung des Rückkaufwerts gerechtfertigt sein könnte. Für Dieselfahrer, die sich der Klage angeschlossen haben, reduziert sich der Preis, je länger sie das von der Softwaremanipulation betroffene Auto fahren. Von einem Schadenersatz bliebe wenig übrig: Darauf scheint es VW in dem Verfahren anzulegen.

Einen Vergleich, den die neue Klageform vorsieht, hält der Konzern für kaum vorstellbar. Dabei wäre dies ein Weg, das Verfahren abzukürzen. Indem er auf Dieselkäufer zugeht, würde der Autobauer zudem etwas für seine Reputation tun. Stattdessen könnte die Klage noch vor den Bundesgerichtshof gehen, ehe ein endgültiges Urteil feststeht. Anschließend müssten Verbraucher auf Basis dieses Entscheids ihren Schadenersatz in Folgeverfahren individuell erstreiten. Bis dahin dürfte der Restwert von 2008 gekauften Dieselautos mit EA189-Motor nahe Null liegen - zumal das Ende der Verbrenner-Ära naht.

Für den Gesetzgeber sollte die erste Musterfeststellungsklage Anlass sein nachzubessern. Warum sollte überhaupt ein Konzern, wenn er vorsätzlich getäuscht hat, Anreize bekommen, ein Verfahren auszusitzen?

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)  von Carsten Steevens

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