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Berliner Morgenpost: Mehr Ehrlichkeit und weniger Empörung, bitte!

Archivmeldung vom 18.02.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der ideale Staatsbürger arbeitet fleißig und verdient gerade genug, um ein Auto zu kaufen, seine beiden Kinder großzuziehen, sich um die Eltern zu kümmern, ein wenig für die Rente zu sparen - und er zahlt natürlich Steuern und Sozialausgaben in den großen Topf. Die deutsche Gesellschaft basiert seit Generationen auf der praktischen Solidarität Millionen tapferer Mittelschichtmenschen.

Wer sich der Steuerpflicht entzieht, verabschiedet sich von diesem Konsens ebenso wie derjenige, der sich seinen Lebensunterhalt bezahlen lässt, obwohl er selbst für sich sorgen könnte. Am oberen Ende der sozialen Leiter stehen Menschen, die Steuern für Diebstahl halten und nicht einsehen, dass mit ihrem schönen Geld die Nichtsnutze durchgefüttert werden. Und unten harren manche aus, die aus systematischer Steuerhinterziehung ein Recht ableiten, selbst auch nichts Nennenswertes zum Gemeinwesen beisteuern zu müssen. Steuerbetrüger wie Sozialhilfe-Mitnehmer haben eines gemeinsam: Beide sehen sich als Opfer eines kaltherzigen Staats - und beide legitimieren ihre Illoyalität mit dem Verweis auf die da unten, wahlweise die da oben. Das Gemeinwesen wird nicht von einer Gruppe allein bedroht, sondern von beiden gleichzeitig. In Tateinheit setzen Steuerflüchtlinge und Sozialhilfe-Profis die Staatskasse und damit alle Normalverdiener unter Druck. Das bisweilen ins Hysterische kippende Geschrei über Schweizer Konten und Hartz-IV-Abgreifer illustriert die bedenkliche Erosion des deutschen Erfolgsmodells. Die Mittelschicht schrumpft, immer weniger halbwegs staatsloyale Bürger sehen sich einer wachsenden Schar gefühlter Opfer gegenüber. Und die Erosion schreitet weiter fort. Kleinverdiener stellen sich die ökonomisch vernünftige Frage, warum sie sechs Tage die Woche frühmorgens aufstehen und zwölf Stunden rackern sollen - Besserverdienende fühlen sich wie Trottel, weil sie immer noch kein Steuersparkonto in den Alpen installiert haben, das sich im Skiurlaub rasch checken lässt. Es gehört zu den Standardparolen jedes Stammtischs, dass in Deutschland eine unselige Gerechtigkeits- und Gleichheitsdebatte geführt werde. Das Gegenteil ist der Fall. Das Gefühl, Leistung werde gerecht belohnt und vor dem Finanzamt herrsche Gleichheit, ist unabdingbare Voraussetzung für staatsbürgerliche Loyalität. Mit etwas mehr Ehrlichkeit statt routinierter Empörung könnten Guido Westerwelle und Frank Bsirske in einen gemeinsamen Kampf ziehen: Es geht nicht um Reiche oder Arme, sondern um Kriminelle, die ihren Möglichkeiten entsprechend die Staatskasse schädigen. Das Ausspielen von gesellschaftlichen Gruppen bringt die Debatte nicht voran, sondern vergiftet das Klima. Fakt ist: Ehrliche Großverdiener mit ihren satten Abgaben sind für dieses Land ebenso wichtig wie die Gewissheit, dass die Gemeinschaft einem in Not Geratenen hilft. Wenn die gemeinsamen Werte wieder mal justiert würden, bekäme die Aufgeregtheit endlich Sinn und Richtung.

Quelle: Berliner Morgenpost

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