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Westdeutsche Zeitung: Krankenstand auf historischem Tief: Vorsicht - Milchmädchenrechnung

Archivmeldung vom 14.07.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.07.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Statistiken haben ihre Tücken. So zum Beispiel die Statistik, der zufolge der Krankenstand in deutschen Unternehmen auf dem niedrigsten Stand seit fast vier Jahrzehnten angelangt ist. Wer über diesen Halbjahres-Vergleich jubelt, jubelt zu früh.

Denn was in der Statistik fehlt, sind Erkenntnisse über die Fälle, in denen Arbeitnehmer nur "aus Angst gesund" sind. Menschen, die buchstäblich die Wirtschaftskrise im Nacken spüren. Die sich in Sorge um ihren Arbeitsplatz ins Büro, ins Kaufhaus oder an die Werkbank schleppen, dort ihre Kollegen anstecken, die eigene Gesundheit dauerhaft schädigen und zu allem Überfluss auch noch Murks produzieren, weil ihnen die Konzentration fehlt.

Unterm Strich sind ein, zwei Tage unter der warmen Bettdecke preiswerter für die Volkswirtschaft als eine verschleppte Krankheit. Was vielen von uns fehlt, ist die Souveränität, diese Erkenntnis auch umzusetzen. Wir haben ein Recht, krank zu sein und müssen uns nicht, wie die Japaner, Urlaubstage reservieren, um gegebenenfalls Krankheiten auskurieren zu können.

Die Sorge um den sicheren Arbeitsplatz ist sicherlich ein gewichtiger Grund für den gesunkenen Krankenstand. Einfluss auf die Entwicklung hat aber auch die Tatsache, dass die Arbeitsbedingungen in unserer Gesellschaft humaner geworden sind. Schwere körperliche Arbeit wird durch Maschinen erleichtert, die Gesundheitsvorsorge ist erheblich erweitert worden, die Medizin macht Fortschritte mit steigend hohen Drehzahlen.

Allerdings sollten wir nicht ausblenden, dass im Laufe der Jahre immer öfter häufig oder gar chronisch Kranke aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind oder ausscheiden. Ihre Zahl findet sich in der Aufzählung der verloren gegangenen Arbeitsplätze wieder - Statistiken sind eben letztlich Mathematik.

Bleibt das wachsende Phänomen der Angst. Angst um das geregelte Einkommen, Angst vor steigenden Anforderungen im Beruf, Angst vor Versagen. Für fast alles ist in unserem Gesundheitssystem besser gesorgt als sonstwo auf der Welt - nur für Krankheiten der Psyche gibt es noch kein Vorsorge-System. Eine Aufgabe, der sich zukünftige Gesundheitspolitik stellen muss. Vorsorgen ist besser als Heilen. Wer hier spart, macht eine Milchmädchenrechnung auf.

Quelle: Westdeutsche Zeitung

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