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Börsen-Zeitung: Der Glaube an Kassandra

Archivmeldung vom 28.02.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.02.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Ölpreis gibt Rätsel auf. Wie festgenagelt verharrte er lange Zeit in einer engen Spanne rund um die 40 Dollar. Ausbrüche nach oben? Selten. Ausbrüche nach unten? Häufig. Dabei wird eines derzeit geradezu gebetsmühlenartig wiederholt: Fundamental lässt sich die niedrige Notierung nicht begründen.

Vielerorts sind die Förderkosten nicht mehr gedeckt, die wichtigsten Ölfelder sind auf dem absteigenden Ast, die Welt steuert auf ein hohes Angebotsdefizit zu, die fortlaufenden Förderkürzungen der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) verschlimmern die Situation weiter.

Doch die Rufe der Experten verhallen nahezu ungehört: Seien es angesehene Rohstoffanalysten wie die von Barclays Capital, Trader wie zum Beispiel des Rohstoffhändlers Sucden Financial oder Institutionen wie der Internationale Agentur IEA. Es wirkt ein wenig wie die Prophezeihungen der Seherin Kassandra, die richtigerweise den Untergang Trojas vorhersagte, der aber niemand glauben wollte. Die Angst aufgrund der Wirtschaftskrise überschattet derzeit jede anders lautende Stimme.

Dass inzwischen viele Produzentenländer Probleme wegen des niedrigen Ölpreises haben, wird immer deutlicher. Denn aufgrund der fehlenden Milliarden in den Staatshaushalten wird dort auch die innenpolitische Lage immer angespannter-unter anderem in der arabischen Welt. Dass in Dubai aufgrund der Finanzkrise dazu noch der Traum einer zukünftigen Wirtschaftsordnung für die Golfregion vorläufig geplatzt ist und das Emirat vom Nachbarn Abu Dhabi quasi gerettet werden muss, trägt dabei nicht unbedingt zur Besserung der Stimmung bei.

Teils nimmt die Sorge deshalb sogar so absurde Züge an, dass Biosprit verteufelt wird - und zwar nicht aus umweltpolitischen Gründen. Ein Mitglied der saudi-arabischen Akademie für Rechtssprechung warnt derzeit Muslime in aller Welt davor, Biosprit zu nutzen, da dies Sünde sei, weil Biotreibstoff "hauptsächlich aus Alkohol gemacht sei". Der Prophet verbiete den Kauf und Verkauf sowie die Herstellung von Alkohol. Selbst wenn dieses Ansinnen echte religiöse Hintergründe hat, ist es doch vor allem ein Ausdruck der Sorge in den Golfstaaten. Dementsprechend vergeht auch kaum noch eine Woche, in der die Opec nicht mehr oder weniger laut über weitere Förderkürzungen nachdenkt. Doch Wirkung haben diese Überlegungen kaum gezeigt, der Ölpreis verharrte auf einem niedrigen Niveau. Inzwischen erwarten Analysten aber, dass die Aktionen der Opec den Preis mittelfristig wieder nach oben treiben werden. Denn es zeichnet sich ab, dass die Kürzungen der Opec insgesamt so stark ausfallen werden, dass sie den anstehenden Nachfragerückgang mehr als überkompensieren werden. Die Frage ist deshalb: Wann beginnt diese Zukunft?

Zwar zieht seit einigen Tagen der Ölpreis wieder an; dass dies bereits der Beginn einer langen Hausse ist, ist allerdings fraglich-zu negativ ist die Stimmung. Ausgelöst hatten den Anstieg zum einen technische Faktoren, zum anderen die zum ersten Mal seit langem rückläufigen US-Ölvorräte und Kürzungen bei Öllieferungen aus dem arabischen Golf nach Asien.

Für die längeren Fristen ist bereits die eher seltene Situation des Contango eingetreten, was bedeutet, dass die Preise der ÖlFutures derzeit deutlich höher liegen als am Spotmarkt. Normalerweise sind die Futures-Märkte der meisten Rohstoffe von der gegenteiligen Situation gekennzeichnet, der sogenannten Backwardation. Dies ist ein ganz klares Zeichen dafür, dass die meisten Investoren inzwischen nicht mehr daran glauben, dass das niedrige Niveau von Dauer sein wird.

So könnte sich dann auch die Idee einiger Hedgefonds bezahlt machen: Diese hatten zuletzt leere Tanker gechartert, mit billigem Öl vollgepumpt und die Schiffe vor allem im Golf von Mexiko geparkt. Ihre Rechnung ist ganz einfach: In einem Jahr sollte der Preis auch am Spotmarkt wieder derart hoch sein, dass sich das schwarze Gold wieder zu einem so hohen Preis verkaufen lässt, dass die Kosten gedeckt und ein satter Gewinn dabei herausspringt. Die Futures deuten daraufhin, dass diese Rechnung durchaus aufgehen könnte. Anders als in Troja findet Kassandra am Ölmarkt vielleicht doch noch Gläubige.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Frank Bremser)

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