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WAZ: Horst Schlämmer und die Politik

Archivmeldung vom 07.08.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.08.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das ist Postmoderne: Die Ironie der Geschichte besteht heute allzuoft darin, dass es sich in Wahrheit um bitteren Ernst handelt. Ausgerechnet Christdemokraten drehen krumme Spendendinger. Ausgerechnet Sozialdemokraten machen Unternehmen die größten Steuergeschenke. Ausgerechnet Grüne propagieren Kriegseinsätze.

Da wird es immer schwieriger, Satire und Politik zu unterscheiden. Der "Borat"-Komiker Sacha Baron Cohen bekommt Drohungen von den Al-Aksa-Brigaden. Und wenn Hape Kerkeling den Kanzlerkandidatendarsteller spielt, strömen gestandene Hauptstadt-Journalisten zur Pressekonferenz, um sich von Horst "Schätzelein" Schlämmer strubbelig quatschen zu lassen; zwei Nachrichtensender übertragen alles live, wie im echten Politikbetrieb.

Verwechselungen von Wirklichkeit und Fiktion hat es immer gegeben. Als Goethes "Werther" erschienen war, ging eine Selbstmordwelle durchs Land. Später schrieben Menschen, die in unauflösbare Kriminalfälle verwickelt waren, massenhaft an Sherlock Holmes. Und die Zahl derer, die sich von Professor Brinkmann aus der Schwarzwaldklinik operieren lassen wollten, ist Legion. Oft drückt sich in derlei Wirklichkeitsverlust eine Sehnsucht aus, ein Mangel der realen Welt, der geradezu ohnmächtig erfahren wird. Letzte Ausfahrt Wunderland. So wirft Horst Schlämmer ein Licht auf die Politik: Der Mann ist ja nicht trotz seiner Schnappatmung und des Schnäuzers so beliebt, sondern gerade weil er daraus keinen Hehl macht. Weil er, komisch genug, ehrlich scheint. Anders als aalglatte Politiker, die wirken, als gingen sie alle zum selben Gestentrainer, zum selben Frisör. Wirtschaftsminister zu Guttenberg zeigt, dass es schon reicht, anders als die anderen und authentisch zu wirken, um beliebter zu werden als alle. Aus dem unechten Mund von Horst Schlämmer aber dringt, ironisch, Wahres. Dinge, die fast jeder weiß, und die sich einfach nicht ändern wollen, nicht mal durch öffentliches Aussprechen. So steckt in der Schlämmermania auch ein Stück Ohnmacht, die in Gefühl umgeschlagen ist.

Und doch: So sehr sich die Menschen nach Politikern sehnen, die zur Wahrheit stehen - wer es tut, riskiert abgestraft zu werden. Von Angela Merkel werden wir vor der Wahl also kaum zu hören bekommen, was danach auf uns wartet. Vor vier Jahren, als sie das getan hat, wäre sie beinahe daran gescheitert. Das ist die wahre Ironie. 

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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