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Börsen-Zeitung: Brandbeschleuniger

Archivmeldung vom 26.05.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.05.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Die Eurozonen-Peripherie beschäftigt wieder die Finanzmärkte, genauer gesagt Italien und nun auch noch Spanien. In Italien ist es die Sorge vor einem harten Konfrontationskurs der neuen eurokritischen Regierung mit der EU und in Spanien die Furcht vor einer Regierungskrise. Das sorgt für steigende Renditen bei den Staatsanleihen beider Länder. Anleger stellen sich zunehmend die Frage, ob Italien und vielleicht Spanien das Potenzial haben, die Schuldenkrise wieder aufflammen zu lassen - womöglich noch heftiger als beim vorigen Mal.

Da setzt so mancher viele Hoffnungen in ein neues Produkt, das die EU nun aus der Taufe heben will: European Safe Bonds - bei der EU unter dem Namen Sovereign Bond-backed Securities (SBBS). Im Prinzip sollen die SBBS, mit denen die Politik die Stabilität der Eurozone erhöhen, also die Risiken für die Finanzstabilität verringern möchte, folgendermaßen funktionieren. Es werden nach einem Kapitalschlüssel (zum Beispiel dem der EZB) Staatsanleihen der Eurozonenländer in einen Topf (Pool) geworfen. Die Finanzierung dieses Ankaufs soll über die Emission von solchen SBBS erfolgen. Dabei bedient man sich einer Tranchierung. Geschaffen werden mehrere Tranchen, eine oder zwei Junior-Tranchen von insgesamt 30% und eine Senior-Tranche von 70%. Kommt es im Rahmen einer Krise zu Verlusten (Ausfällen), haften erstmal die Inhaber der Junior-Tranchen dieser Anleihen. Als Käufer stellen sich die Verantwortlichen Hedgefonds vor, die ja gern ins Risiko gehen.

Sie erhalten dann auch eine höhere Verzinsung. Sind die 30% "aufgefressen", haben diese Anleger bei Ausfällen also "geblutet", dann kommen bei weiteren Verlusten die nächsten Anleger in der Haftungsreihe dran, also die Inhaber der Senior-Tranche (Banken, Versicherer) - so sieht vereinfacht ausgedrückt die Theorie aus. Ob dieses Konzept allerdings am Markt auf positive Resonanz stoßen wird, sollte mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Die Verantwortlichen betonen immer wieder, dass es sich hierbei nicht um gemeinsame Staatsanleihen handelt. Das ist richtig. Von den SBBS zu gemeinsamen Staatsanleihen ist es dann aber nur noch ein winzig kleiner Schritt, und im Grunde genommen ist mit den ESB/SBBS das Grundprinzip der gemeinsamen Schuldenfinanzierung schon realisiert. ESB weisen eine sehr hohe Ähnlichkeit zu einem CDO (Collateralized Debt Obligation) bzw. CBO (Collateralized Bond Obligation) auf: Kredite bzw. Bonds kommen in einen Topf, anschließend werden Tranchen gebildet, und diese werden an private Investoren verkauft mit unterschiedlichen Graden an Verlustabsorption. Genauso sieht es hier aus. Diese Produkte, die in der Finanzkrise heftige Spuren hinterlassen haben, wurden über Zweckgesellschaften verkauft. Das soll bei ESB ebenfalls wieder so gemacht werden.

Gerade Zweckgesellschaften stoßen bei Investoren nicht auf große Gegenliebe. Alles, was erklärt werden muss, und das müssen Zweckgesellschaften und ihre Vorgehensweise auch, sorgt immer für hochgezogene Augenbrauen. Und dass gerade strukturierte Produkte, mit denen die Finanzwelt in den vergangenen Jahren nicht die besten Erfahrungen gemacht hat, nun das Heilmittel für eine mögliche Staatsschuldenkrise sein sollen, mag so mancher auch nicht recht glauben. Kritiker werden sehr deutlich, was die Ausgestaltung des Produktes betrifft. "Das Produkt ist nicht vom Markt her gedacht. Niemand wartet darauf. Die Umsetzung erfordert aber die Initiative der Kapitalmarktteilnehmer, so dass der Vorschlag am Ende ins Leere laufen kann", sagt Hendrik Haag, Partner für Kapitalmarktrecht bei der Rechtsanwaltskanzlei Hengeler Mueller, dieser Zeitung.

Man fragt sich natürlich auch, wie so ein Produkt reagieren würde, wenn es tatsächlich zu einer Krise kommt. Vor allem muss man sich der Kapitalmarktwirkungen bewusst sein, wenn von möglichen Ansteckungseffekten die Rede ist, und die tauchen an den Märkten sehr schnell auf. Wenn ein Land auszufallen droht, haften die Inhaber der Junior-Tranche. Wenn das nächste Land kommt, vielleicht wieder diese, dann aber irgendwann die Inhaber der Senior-Tranche. Doch man sollte berücksichtigen, dass man sich von solchen Anleihen auch vorher trennen kann. Und vermutlich werden die Inhaber der jeweiligen Anleihen nicht so lange warten, bis der Haftungsfall eintritt. Die Papiere könnten nacheinander gnadenlos verramscht werden. Ob sich so ein SBBS-Gebilde noch retten lässt, wenn sein Markt abrutscht? SBBS wären dann nicht die Feuerwehr, sondern der Brandbeschleuniger. Keine gute Idee.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Kai Johannsen

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