Immer wieder Griechenland
Archivmeldung vom 11.04.2015
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.04.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGriechenland bzw. die finanzielle und wirtschaftliche Situation des Landes ist ein ewiges Thema. Dabei ist an sich alles klar: Das Land ist komplett im Schuldensumpf versunken. Die Wirtschaft mehr oder weniger zusammengebrochen. Die Arbeitslosigkeit liegt auf unerträglich hohen Niveaus, gerade bei der Jugend. Die meisten von der Regierung veröffentlichten Statistiken sind – vorsichtig formuliert – lückenhaft. Alle vermeintlich positiven Nachrichten über Primärüberschüsse, das Erreichen von Sparzielen und ähnlichem entpuppten sich früher oder später als Traumgespinste und fromme Wünsche. Mit anderen Worten: Das Land ist eigentlich pleite. Es sollte schnellst möglich den Bankrott erklären und aus der Eurozone ausscheiden. Nur so ist, wenn überhaupt, ein Neuanfang möglich.
Da aber die griechische Politik dann künftig auf sehr viel Geld aus Brüssel und den EU-Staaten verzichten müsste, bringt sie erstaunliche Energie auf und beschreitet die absurdesten Wege, um frisches Geld aufzutreiben. Dazu gehören an den Haaren herbeigezogene Reparationsforderungen, die natürlich nur rein zufällig ähnlich hoch wie die Schulden Athens sind. Dazu gehört auch, eine Klage gegen den Thyssen-Konzern anzustrengen, weil sich dieser weigerte, vier U-Boote fertigzustellen. Schließlich musste er damit rechnen, für seine Leistungen niemals adäquat entlohnt zu werden. Ebenfalls Teil dieses Spiels ist es, nach Russland zu reisen und sich dort nach neuen möglichen Geldgebern umzusehen. Nicht zuletzt gehört dazu auch, andauernd mit einem kurz bevorstehenden Staatsbankrott zu kokettieren.
Im Fall des Falles – wie am gestrigen Donnerstag bei der fristgerechten Tilgung eines IWF-Kredits – ist aber dennoch genug Geld in der Kasse. Denn die Phrase vom drohenden Staatsbankrott ist ebenso wie der Besuch in Moskau oder die Reparationskeule Teil des griechischen Erpressungsprogramms. Ja, ohne Zweifel ist Griechenland pleite und genau diesen Umstand nutzt es nun, um immer neue Hilfen von den übrigen EU-Staaten zu erpressen: Gebt uns Geld oder wir legen einen Staatsbankrott hin und ihr bleibt auf den ausgereichten Krediten sitzen, tönt es mehr oder weniger unverhohlen aus Athen. Ab einer bestimmten Summe hat der Schuldner eben Macht über die Gläubiger. Demselben Muster folgte der Besuch in Moskau: Gebt uns Geld oder wir bandeln mit eurem erklärten Gegner an. Dass Putin nicht so dämlich ist und Geld in ein bodenloses Fass werfen würde, dürfte selbst Tsipras und Co. klar sein. Aber das Signal, welches an die EU mit dem Treffen ausgesendet wurde, war unmissverständlich.
Ebenso die Signale, welche von den Reparationsforderungen ausgehen. Hier wird in erster Linie dem griechischen Volk suggeriert, wer Schuld an der Misere des Landes trägt: Die Anderen, allen voran natürlich die Deutschen. Dass ist ebenso billig wie falsch. Die Ursachen für den Zustand Griechenlands sind weder in den Sparprogrammen der Troika und schon gar nicht in der Besetzung des Landes vor 70 Jahren zu suchen. Die traurige Wahrheit ist, dass Griechenland ein „failed state“ ist. Nicht erst seit gestern, sondern bereits seit vielen hundert Jahren.
Die komplette Politikerkaste ist bis ins Mark korrupt – von ganz links bis ganz rechts. Es macht überhaupt keinen Unterschied, wer dort gerade regiert, bisher hat noch jede Regierung versucht, sich möglichst schnell die Taschen vollzumachen. Es gibt keinerlei funktionierende staatlichen Institutionen, Recht und Gesetz bestehen nur auf dem Papier, tatsächlich bestimmt eine hässliche Mischung aus Nepotismus und Patronismus das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben. Zeitgleich ist die Gesellschaft seit dem Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und Nationalisten während und nach dem zweiten Weltkrieg tief gespalten – es gibt in Griechenland kein Gemeinwesen nach mitteleuropäischem Verständnis. Auch beschränkt sich die Einstellung, sich möglichst selbst zu bereichern, nicht alleine auf die politische Kaste. Der Sippe hilft man, wo man kann, auch dem Fremden begegnet man freundlich und herzlich, gemäß den antiken Vorstellungen des Gastrechts. Dass aber ein Staatsgebilde nur dann funktionieren kann, wenn die Bürger sich einigermaßen mit ihm identifizieren und bereit sind, sich für das Gemeinwesen auch einzubringen, sich zu engagieren und eben nicht nur herausholen, was möglich ist, dieses Verständnis fehlt. Es mag erfrischend sein, in so einem Land Urlaub zu machen – dauerhaft für diese Zustände den Geldbeutel aufzumachen, ist es sicherlich nicht.
Den einzig richtigen Umgang mit so einem „Geschäftspartner“ zeichnete Thyssen vor: Einstellung der Leistungen, Beendigung der Geschäftsbeziehungen und so den entstandenen Schaden begrenzen. Nur leider ist die EU kein Unternehmen, welches sich an wirtschaftlichen Grundsätzen und Vernunft zu orientieren hat, sondern ein höchstmerkwürdiges politisches Gebilde – weshalb es letztlich genau zwei Gründe gibt, warum mit Griechenland nicht schon längst so verfahren wurde wie es angesichts der Lage geboten wäre.
Zum einen sind etliche EU-Staaten Griechenland gar nicht so unähnlich. Südlich von Rom, ja eigentlich schon südlich von Florenz herrschen ein ähnliches Denken und ähnliche Gesellschaftsstrukturen wie am Peleponnes. Auch in Spanien und Portugal herrschen (vielleicht etwas abgeschwächt) griechische Verhältnisse, ebenso in Frankreich, nur dass sich hier noch die Hybris dazugesellt, man sei, wenn schon nicht Weltmacht, dann doch zumindest eine internationale Großmacht. Alle diese Staaten setzten darauf, ihre wenig leistungsfähigen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politikstrukturen auch künftig durch die Institutionen der EU (vulgo die Leistungsfähigkeit der nördlichen Länder) finanzieren zu lassen.
Das ganze Gebilde wäre längst auseinandergebrochen, gäbe es da nicht noch den zweiten Grund, der dieses unausgewogene Konstrukt zusammenhält: Die gerade von Berlin mitgetragene und vorangetriebene Horrorvision des Umbaus der EU von einer reinen Wirtschaftszone in einen Superstaat. Die „Vereinigten Staaten von Europa“ sind das Endziel dieser Vision, die eigentlich schon längst gescheitert ist und dennoch immer weiter, immer wilder und immer verzweifelter verfolgt wird. Dieser Vision werden Vernunft, sozio-ökonomische Realitäten und nicht zuletzt das Wohl der europäischen Völker untergeordnet, ja geopfert. Solange in Brüssel, in Berlin und den anderen Hauptstädten der EU an dieser Vision festgehalten wird, wird der griechische Totentanz weitergehen.
Solange dieser Motor läuft, wird sich der Kaufkraft- und damit einhergehend der Wohlstandsverlust beschleunigen. Die Freiheitseinschränkungen werden immer größer werden. Die Spaltung der europäischen Völker wird sich vertiefen. Der einzige Weg dies zu stoppen, wäre als erster Schritt der Austritt aus der Gemeinschaftswährung und in der Folge dessen eine drastische Reform des derzeit existierenden Finanzsystems. Die alleinige Rückkehr zu den nationalen Währungen innerhalb des Teilreservebankensystems einerseits und des ungedeckten Papiergeldsystems andererseits, wird die bestehenden Probleme langfristig nicht lösen, sondern bestenfalls den Verfall verzögern.
Aber reine Willensbekundungen sind hierfür schon lange nicht mehr ausreichend. Die Bürger, müssen endlich beginnen, Widerstand gegen die herrschende Politik zu leisten. Nicht alleine, aber auch und insbesondere an den Wahlurnen.
Quelle: Freitagsgedanken, von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer und Christian Bayer, Liberale Vereinigung