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Börsen-Zeitung: Trübe Stimmung

Archivmeldung vom 09.02.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.02.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

An den Finanzmärkten trübt sich die Stimmung immer stärker ein. Mehr und mehr Akteure stellen sich darauf ein, dass die Konjunkturentwicklung in den kommenden Monaten enttäuschend sein wird. Dafür gibt es klare Signale von den Märkten und sehr deutliche Einschätzungen von offizieller Seite.

Da ist zunächst einmal die Europäische Zentralbank (EZB). Bis gegen Ende 2018 hatten die meisten Marktakteure - so hatten es ihnen die europäischen Währungshüter in ihren Statements auch immer wieder nahegelegt - damit gerechnet, dass die EZB die Leitzinsen über den Sommer dieses Jahres hinaus unangetastet lassen wird. Eine sehr dehnbare Bezeichnung dafür, wie es in Sachen Zinsen weitergehen wird. Marktteilnehmer waren bei dieser Formulierung davon ausgegangen, dass es ab Herbst dann so weit sein würde und die EZB zum ersten Zinsschritt seit der Krise ansetzt. Die Bezeichnung "über den Sommer 2019" hat weiter Gültigkeit. EZB-Präsident Mario Draghi dämpfte im Januar die Erwartungen der Märkte an einen Zinsschritt noch in diesem Jahr. Die EZB sieht die Wachstumsrisiken der Eurozone nicht mehr wie bislang als ausgeglichen an, sondern stuft sie als abwärtsgerichtet ein. Das lässt aufhorchen.

Aber nicht nur in Europa werden die Notenbanker vorsichtiger, sondern auch in den USA. Nur eine Woche später signalisierte die US-Notenbank das Ende der Zinserhöhungen. Die Geldpolitik stuft US-Notenbankchef Jerome Powell als neutral ein. Das Wachstum sei nicht mehr stark, sondern werde "nur" noch als solide angesehen.

Klare Signale gab es von der US-Notenbank noch in anderer Hinsicht. Die Fed ist dabei, die Bilanz zu verkürzen. Das geschieht, indem Reinvestitionen von Bondrückzahlungen verringert werden. Aber genau das will sie nun von der konjunkturellen Entwicklung abhängig machen. Das kann man auch ein wenig schärfer interpretieren: Bricht die Konjunktur in den USA ein, wird die Fed wieder stärker aufs Gaspedal bei den Bondkäufen treten, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Zinssenkungen werden dann begleitend aufgenommen. Offen ist, ob die Fed beim aktuellen Leitzinsniveau von 2,25 Prozent bis 2,5 Prozent genügend Pulver zurückgelegt hat.

Die nächste klare Ansage kam nun in der abgelaufenen Woche von der EU-Kommission. Sie rechnet für die Eurozone in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1,3 Prozent nach zuvor veranschlagten 1,9 Prozent. Das ist schon eine deutlichere Rücknahme der Prognose. Für 2020 sollen es dann noch 1,6 Prozent nach bisher angepeilten 1,7 Prozent sein.

Denn die Märkte stellen sich immer mehr auf eine Rezession in den USA ein, nach gut zehn Jahren wirtschaftlicher Expansion. Der Handelskonflikt mit China zeigt hier seine Wirkung. Ein weiter Unsicherheitsfaktor ist der Brexit, dessen Folgen für die Wirtschaft - wie auch immer der EU-Ausstieg der Briten ausgestaltet sein wird - völlig offen sind.

An den Märkten wird die konjunkturelle Perspektive seit Wochen mit einer Flucht in Sicherheit quittiert. Und genau diese zeigt deutliche Spuren bei den Renditen der Bundesanleihen. Am kurzen Ende liegen die Sätze ohnehin seit Jahren im negativen Bereich. Bis vor drei Monaten galt das bis hin zu Laufzeiten der Bundeswertpapiere von sechs Jahren. Nun ist die Kurve in den vergangenen Wochen aber immer mehr ins Minus abgerutscht. Die Bundestitel mit neun Jahren Restlaufzeit oszillierten am Mittwoch und Donnerstag noch um die Nulllinie, am Freitag tauchten sie dann deutlich ins Minus ab.

Die zehnjährige Bundrendite ist auch nicht mehr weit von der Nulllinie entfernt. Am Freitagabend lag der Satz bei 0,09 Prozent. Zur Erinnerung: Am 6. Juli 2016 wurde im zehnjährigen Laufzeitenbereich der Bundesanleihen mit minus 0,204 Prozent das bisherige historische Tief markiert. Wohlgemerkt, dies geschah im Gefolge des Runs auf Staatsanleihen aufgrund des Brexit-Vote Ende Juni 2016. Von diesem historischen Tief ist der Markt also nur noch rund 30 Basispunkte entfernt, und eine kräftige wirtschaftliche Eintrübung, zu der es ausgehend von den USA kommen wird, ist noch gar nicht eingetreten.

Die Rezession in den USA wird vom US-Bondmarkt klar angezeigt. Die Kurve ist im Laufzeitenbereich von zwei bis fünf Jahren invertiert. Und eine Kurveninversion ist in der Vergangenheit ein sehr verlässliches Signal für eine spätere Rezession gewesen. Davon gehen viele Marktteilnehmer auch dieses Mal aus. Man sollte sich darauf einstellen, dass die risikolosen Renditen angesichts der konjunkturellen Perspektiven weiter abrutschen und in den USA die Kurve weiter invertiert. Alles andere ist reines Wunschdenken.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Kai Johannsen

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