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Börsen-Zeitung: Geldmarkt ohne Handel

Archivmeldung vom 20.12.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.12.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Was derzeit am europäischen Interbankenmarkt zu beobachten ist, lässt sich wohl am trefflichsten als die Rückkehr von katastrophalen zu äußerst üblen Verhältnissen beschreiben. Aber immerhin: Die Zinssätze, zu denen Banken sich untereinander Geld leihen, sinken. Präziser ausgedrückt: Die Sätze, zu denen Banken behaupten, Geld an andere zu leihen, sinken.

Denn die Volumina in den Fristen oberhalb einer Woche sind nach wie vor absolut dünn, und wenn gehandelt wird, dann zu höheren Zinsen als offiziell gemeldet. Das liegt nicht unbedingt daran, dass niemand in der Lage ist, Geld zu verleihen. Es liegt daran, dass sich niemand sicher sein kann, dass der Kontrahent nicht pleitegeht und das verliehene Geld verschwunden ist.

Dass genug Liquidität im Markt ist, zeigt die Einlagefazilität der Europäischen Zentralbank. In dieser werden Nacht für Nacht rekordverdächtige Summen von den Instituten geparkt, zu Sätzen, die unter denen des Interbankenmarkts liegen. Die EZB, so die Logik, kann immer zurückzahlen.

Das ist zwar richtig. Sie wird aber wie am Donnerstag angekündigt den Zins in der Einlagefazilität senken, um sie gegenüber dem Geldmarkt unattraktiver zu machen. Statt mit 2 werden die EZB-Einlagen dann mit 1,5% verzinst. Ob das die Banken animiert, sich wieder mit Geld zu versorgen, darf getrost bezweifelt werden. Liquidität geht vor Rentabilität, und von der EZB kommt das Geld zwar niedriger verzinst, aber dafür mit Sicherheit zurück.

Ein derzeit diskutierter Vorschlag ist die Einrichtung einer Clearing-Stelle, die für den Interbankenhandel das Kontrahentenrisiko eliminiert. Für eine solche Institution haben sich zuletzt einige Banken starkgemacht. Idealerweise würde die Clearing-Stelle bei der EZB angesiedelt, um eine kleinteilige Lösung via nationale Regelungen und die damit einhergehenden Reibungsverluste zu vermeiden.

Die Idee ist einerseits bestechend einfach. Andererseits ist eine wesentliche Frage nicht geklärt: Wie kommt man aus der Geschichte wieder raus? Die Banken könnten sich an eine Clearing-Stelle sicherlich prima gewöhnen. Doch eine Garantie für die Geschäfte im Interbankenhandel kann nur eine Zwischenlösung sein. Ob aber ein gesunder und schwungvoller Handel in Gang kommen würde, wenn im Zweifelsfall niemand mehr für den Schaden haftet, ist offen.

Bei der EZB scheint man der Idee zwar nicht vollkommen abgeneigt zu sein, wartet aber darauf, dass die Banken eigene Vorschläge zur Lösung des Problems vorlegen. Dass bis dahin noch einige Zeit vergehen wird, kommt der EZB zupass, wird im Markt vermutet. Denn bei den moderat sinkenden Sätzen vor dem kritischen Jahresultimo und einem neuen Satz in der Einlagefazilität könnte sich die Krise im Interbankenhandel im kommenden Frühjahr ja vielleicht doch von einer etwas milderen Seite zeigen und tiefgreifende regulatorische Neuerungen wie eine Clearing-Stelle überflüssig machen.

Die schwierige Liquiditätssituation tritt vor dem nahen Jahresende auch in anderen Bereichen deutlich sichtbar zutage. Die Euro-Rally in der gerade abgelaufenen Handelswoche ist Marktteilnehmern zufolge zu einem Gutteil der engen Liquidität und den dünnen Handelsvolumina geschuldet. Vor dem Jahresende sind traditionell ohnehin mehr spekulative Investoren am Start als etwa im Sommer. Die dünnen Handelsvolumina bedingen, dass die Kursausschläge deutlicher sind, wenn mal eine größere Position umgeschichtet wird. Die Verschiebungen vom Dollar zum Euro haben die Gemeinschaftswährung also in dem Jahresend-Marktumfeld besonders beflügelt. Das haben spekulative Investoren genutzt, um an bestimmten Marken als Trendfolger einzusteigen. Zu guter Letzt mussten diejenigen Anleger, die auf einen steigenden Dollar gesetzt hatten, ihre Positionen glattstellen - als die Gemeinschaftswährung dann von 1,37 bis auf 1,47 Dollar kletterte, fielen die Stop-Losses der Investoren wie Dominosteine um.

Wie schnell sich solche Trends bei der aktuellen Liquiditätslage umkehren können, wurde freilich zum Ende der gerade abgelaufenen Handelswoche deutlich. Der Euro fiel binnen zweier Tage von 1,47 zurück unter die Marke von 1,39 Dollar.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Martin Hampel)

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