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Börsen-Zeitung: Glücksspiel in Washington

Archivmeldung vom 16.07.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.07.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Thema Schuldenkrise ist längst nicht mehr auf Europa begrenzt. Auch die USA haben ihre Schuldenkrise, wenn auch eine ganz anderer Art: Bis zum 2. August muss sich die Obama-Administration mit den oppositionellen Republikanern auf eine Erhöhung der Verschuldungsgrenze einigen, die derzeit 14,3 Bill. Dollar beträgt. Erfolgt dies nicht, droht binnen weniger Tage die Zahlungsunfähigkeit der einzigen Supermacht dieses Planeten.

Bis jetzt reagieren die Akteure an den Kapitalmärkten auf diese Gefahr kaum. Dies lässt sich an den Spreads der Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) ablesen. CDS auf Bundesanleihen sind mit Blick auf die EU-Schuldenkrise zuletzt kräftiger gestiegen als Spreads auf US-Treasuries. Das spricht dafür, dass die Investoren rund um den Globus die Sache immer noch sehr gelassen sehen und nicht glauben, dass es wirklich zu einem Kreditausfall der USA kommt.

In letzter Minute

Für eine Einigung in quasi letzter Minute spricht in der Tat vieles. Allerdings gibt es auch Argumente, die dafür sprechen, dass es doch zu dem gefürchteten Default kommt. So hat Präsident Barack Obama mit Blick auf seine Umfragewerte wohl mehr zu fürchten, wenn er sich der Opposition, die das Repräsentantenhaus beherrscht, beugt. Auf Seiten der Republikaner sitzen Fundamentalisten an den wichtigsten Schaltstellen, deren Kompromissbereitschaft nach Einschätzung von Beobachtern nicht wesentlich stärker ausgeprägt ist als diejenige der Taliban. Für diese führende Fraktion der Republikaner hat sich der Kampf gegen Steuererhöhungen - und vor allem für den Erhalt der von Präsident George W. Bush initiierten Steuererleichterungen für Spitzenverdiener - längst zu einer Art Glaubenskrieg entwickelt. Allerdings regt sich mittlerweile der moderatere Flügel der Partei, sodass die Fundamentalisten vielleicht innerparteilich zum Rückzug gezwungen werden.

Zwar handelt es sich im Fall der USA nicht um einen waschechten Staatsbankrott, da das Land ja zahlen könnte, wenn denn seine politische Klasse nur wollte. Dennoch wären die Folgen eines auch nur kurzzeitigen Zahlungsausfalls gravierend - oder, um mit den Worten von Fed-Chairman Ben Bernanke zu sprechen - "verhängnisvoll". Die Ratingagenturen Moody's und Standard & Poor's haben auch bereits versucht, dies den Verhandlungsführern in Washington nahezubringen, indem sie ihnen in Aussicht stellten, dass sie gerade die Rating-Bestnote "Aaa"/"AAA" ihres Landes verspielen. Und die Chinesen als der mit Abstand bedeutendste Gläubiger haben ebenfalls schon ihre Besorgnis sehr deutlich gemacht.

John Boehner, der Verhandlungsführer der Republikaner, scheint sich immerhin des Ernstes der Lage bewusst zu sein. Er sagte am Donnerstag: "Niemand will das, weil niemand weiß, was dann passiert. Es ist ein Lotteriespiel." Der Mann hat recht. Niemand kann die Folgen eines US-Defaults für die Märkte abschätzen, und zwar aus folgendem Grund: So ist noch unbekannt, auf welche Auszahlungen die US-Regierung den Schwerpunkt legen wird. Bernanke, der allerdings in der Sache nichts zu entscheiden hat, hinterließ zuletzt den Eindruck, dass die Inhaber von US-Staatsanleihen mit Vorrang bedient werden sollen. Ob das mit Blick auf Renten-, Sozial- und Rüstungsausgaben realistisch ist, sei dahingestellt. Noch im August soll es eine Unterdeckung der Ausgaben durch die Steuereinnahmen von mindestens 134 Mrd. Dollar geben, wenn Zinsen und Tilgungen bedient werden.

Gefahr droht in dreierlei Hinsicht: Eine Einstellung der Zahlungen durch das US-Schatzamt wird Banken und institutionelle Investoren rund um den Globus rasch in Bedrängnis bringen, wobei es zu einem Dominoeffekt kommen könnte, der weitere Institute und Anleger in den Abgrund zieht. Zweitens dürfte der weitgehende Ausfall des Wirtschaftsfaktors Staat die USA in die Rezession treiben. Der Streit kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, weil das Wachstum in den USA bereits deutlich nachgelassen hat. Die konjunkturellen Folgen wären weltweit spürbar.

Steigende Kosten

Und drittens wäre auch lange nach einem solchen Ereignis nichts mehr, wie es war. Dass die USA jemals wieder auf ein Triple-A-Rating kämen und als Inbegriff (fast) risikoloser Anlagemöglichkeiten gälten, ist undenkbar. Damit würden sich die Finanzierungskosten der USA und sicher auch anderer Staaten deutlich erhöhen. Dass alles spricht dafür, dass sich in Washington doch noch in allerletzter Minute die Vernunft durchsetzt und dass ein Default vermieden wird.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)

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