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Neue Westfälische (Bielefeld): König ohne Land

Archivmeldung vom 04.06.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.06.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Euro ist stabil. Weder Währungs- noch Finanzkrisen haben ihm bislang nachhaltig geschadet. Nicht einmal die Schuldenkrisen in Griechenland, Irland, Portugal und Spanien haben bemerkenswerte Wirkung gezeigt. Warum also sollte, wie Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, vorschlägt, ein europäisches Finanzministerium eingerichtet werden?

Man mag einsehen, dass man die Euro-Länder darüber schärfer kontrollieren und solideres Haushalten durchsetzen kann. Möglicherweise würden die haushaltsschwächeren Länder auch von günstigeren Zinsen profitieren. Schließlich wird man Trichet auch zugestehen müssen, dass ein Regelungsmechanismus für den Ausgleich von Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität nationaler Volkswirtschaften erforderlich ist, wenn ein Wechselkurs nicht mehr zur Verfügung steht. Der deutsche Länderfinanzausgleich etwa ist ja auch so ein Mechanismus. Aber abgesehen davon, dass wir einen Euro-Rettungsschirm haben, der für günstigere Zinsen schon sorgt, und abgesehen davon, dass mit dessen Inanspruchnahme die betroffenen Länder bereits scharf kontrolliert werden, wie Griechenland erst gestern wieder erfahren musste: Wollen wir die nationale Hoheit über unsere Staatsfinanzen an einen weitgehend abgehoben agierenden Menschen irgendwo in Europa abtreten? Glaubt im Ernst jemand, dass die Abgeordneten eines Parlaments, vor allem aber des Bundestags, ihr Haushaltsrecht und damit sich selbst und dazu die staatliche Souveränität aufgeben werden? Man muss sich nur die Reaktionen der wohlhabenderen Bundesländer in Erinnerung rufen, die schon jetzt gern ihre Haushalte so nach unten steuern, dass sie möglichst nichts mehr in den Länderfinanzausgleich zahlen müssen. Nein, die guten Europäer - und dazu muss man selbstverständlich auch Trichet zählen - unterliegen einem schweren Irrtum: Europa definiert sich in den Herzen und Köpfen der Menschen nicht über die Wirtschafts- und Finanztheorie oder -praxis, sondern über die Idee von Freiheit und Demokratie. Europa kann nicht über Geld und Wachstum als erfolgreiches Friedensprojekt fortgeführt werden, sondern nur über Identität und Austausch. Wer den Europäern die - nationalen - Identitäten nimmt, wer ihre parlamentarischen Rechte wie das Budgetrecht beschneidet, wer ihnen die Freiheitsideen - zum Beispiel die Freiheit des grenzenlosen Reisens - nimmt wie zuletzt die dänische Regierung mit neuen Grenzkontrollen, der entzieht der europäischen Idee den Boden und öffnet der Renationalisierung Europas Tür und Tor. Mit allen Risiken, die darin für Krieg und Frieden liegen. Kurz: Er erreicht das Gegenteil dessen, was zu erreichen war. Das muss sich der EZB-Chef Trichet ausgerechnet als Träger des Karlspreises, der Auszeichnung des europäischen Gedankens, heute dann doch vorhalten lassen: Er will ein engeres Europa - und bedroht es damit. Ein europäischer Finanzminister wäre das Ende der europäischen Idee: ein König ohne Land.

Quelle: Neue Westfälische (ots)

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