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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) schreibt zum Milchlieferboykott

Archivmeldung vom 06.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Lidl und Rewe machten den Anfang. Die anderen folgen. Zehn Cent mehr pro Liter Milch: Es scheint, als hätte der Lieferboykott Erfolg. Doch die Bauern haben gelernt, sich nicht zu früh zu freuen. Im Herbst 2007 schienen sie schon mal am Ziel ihrer Forderungen.

Dann begann ein marktwirtschaftliches Spiel, von dem man hoffte, dass es nicht abgekartet war: Die Landwirte wurden aufgefordert, »voll in die Milch« zu gehen. Der Verweis auf die neue große Nachfrage der Verbraucher in den aufstrebenden Ländern Asiens nach deutschen Molkereiprodukten führte dazu, dass zusätzliche Kapazitäten aufgebaut wurden. Monate später gab es plötzlich wieder zu viel Milch - und der Preis zerfloss wie Eis in der Sonne. »Das nennt man Marktwirtschaft«, argumentieren die Vertreter der reinen Lehre. Demgegenüber habe das, was die Milchbauern seit Tagen mit aller Macht durchsetzen, mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Da wird etwa ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass Absprachen unter den Erzeugern, den verarbeitenden Molkereien und den Großkonzernen im Einzelhandel Vorrang haben müssen vor dem geltenden Kartellrecht. Natürlich wissen die Landwirte in Wirklichkeit, was Markt bedeutet. Sie haben es oft genug mit Hilfe des »Schweinezyklus« erklärt bekommen: Die Nachfrage nach Schweinefleisch treibt den Preis solange in die Höhe, bis auch der letzte Mäster seine Ställe aufgefüllt hat. Weil alle das Gleiche tun, gibt es bald ein Überangebot an Schweinefleisch. Der Preis verfällt, bis er so weit im Keller ist, dass keiner mehr ein Schwein mästen will. Dann ist die Not groß - und meist auch die Forderung nach staatlicher Hilfe. Keiner aber will mehr Schweinezüchter sein. Im Falle der Milch gilt ein ähnlicher Zyklus, nur dass die einzelnen Phasen länger dauern. Dies trifft besonders zu, wenn Subventionen falsche Anreize schaffen. Da es sich bei den Produzenten aber um Lebewesen und bei den Produkten um Lebensmittel handelt, sind Fehlsteuerungen durch den Markt nicht so einfach hinnehmbar. Wie haben die Bilder von Bauern, die ihre Milch wegkippten, manch zarte Gemüter erschreckt! Gemessen an den Milchseen und Butterbergen, die vor Jahren von der EU finanziert wurden, handelt es sich bei den jetzigen Mengen aber eher um Peanuts. Ob der sich abzeichnende Erfolg für die Milchbauern von Dauer ist, wird auch davon abhängen, ob die EU sich doch dazu durchringt, das auslaufende System der Milchquoten zu verlängern. Alle Räder stehen still, wenn Traktoren den Weg versperren. Da sind Landwirte genau wie Fernfahrer und Lokführer im Vorteil gegenüber Verkäuferinnen oder Sachbearbeitern in einem Büro. Proteste leben von Bildern. Dabei kämpfen die Bauern allerdings nicht nur für sich, sondern auch für die Zukunft des ländlichen Raumes. Spätestens wenn der letzte Bauer seinen Traktor stillgelegt und seinen Stall für immer abgeschlossen hat, werden auch die Städter erkennen, dass Landwirtschaft mehr ist als Ackerbau und Viehzucht.

Quelle: Westfalen-Blatt

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