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Berliner Morgenpost: Demos und Gipfeltreffen: Neue Zeiten, alte Rituale

Archivmeldung vom 28.03.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.03.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Sie ziehen heute durch Berlins Mitte, durch Frankfurt und London. Nächste Woche, zum Nato-Jubiläum, ist dann Straßburg dran samt Kehl am Rhein. Protest formiert sich einmal mehr gegen das politische Welt-Establishment, Protest, dem seit Jahren die Immergleichen ein Gesicht geben.

Gewerkschaften, Attac-Mitglieder, Linke. Routiniert, als gäbe es nichts Neues, Geplänkel im Vorfeld, auch die immer gleiche Frage: Bleibt es denn einigermaßen friedlich? Wenn nicht, wird man hinterher wieder streiten, ob die Polizei nicht vielleicht doch provoziert habe, durch pure Anwesenheit beispielsweise. Oder war's doch eher der "schwarze Block"? Man kennt das ja inzwischen. Murmeltiertage, hoffentlich bleiben die Köppe heil. Dabei könnte eigentlich einiges anders sein heute als in vielen vergangenen Jahren, in denen man mit seinen Demonstrationszügen ziemlich weit vorbeilief am Lebensgefühl der Mehrheit, am Mainstream, wenn man so will. Jetzt, Ende März 2009, gäbe es ja tatsächlich auch für viele andere Menschen Grund zum Protest. Die verantwortlichen Gipfelakteure, ob G7, G8, G20, bieten ausreichend Anlass zu kritischer Nachfrage. Weniger zurückhaltend formuliert: Das dramatische Versagen der führenden Weltwirtschaftspolitiker, ihre derben Schnitzer beim Umgang mit Wohl und Wehe unserer Betriebe, unserer Arbeitsplätze, unserer Ersparnisse darf durchaus deutlich thematisiert werden. Da wurde ja hinreichend sanft und selig gepennt, während das globale Finanzsystem erst erodierte und schließlich krachend zusammenbrach. Gipfeltreffen plätscherten rituell dahin, man gab sich offensichtlich mehr Mühe, schöne Fotos zu generieren als die durchaus bekannten Untiefen der Weltwirtschaft etwas genauer auszuloten. Es gab ja Mahner und Warner. Nichts davon zu spüren, damals in den Strandkörben von Heiligendamm? Beim Bier in der Präsidentensuite? Man könnte schon ein wenig aus der Fassung geraten, wenn man sich erinnert an diese oder jene Szene. Gemessen an diesem Empörungspotenzial werden die Demonstrationszüge von heute absehbar spärlich besetzt sein. Was Gründe hat. Zum einen ist mit George W. Bush natürlich das Mensch gewordene Feindbild abhandengekommen und durch einen ziemlich sympathischen Kerl ersetzt worden, der auch als Ehrenmitglied von Attac durchginge. Zum anderen haben Globalisierungskritiker, Ver.di, Linkspartei selbst dem schwer angeschlagenen Weltwirtschaftssystem keine glaubwürdige, Vertrauen schaffende Alternative entgegenzusetzen. Sie haben sich seit Jahren in zum Teil ernst zu nehmendem, zum Teil wohlfeilem Protest erschöpft, ohne heute dem Alten wahrhaft Neues, Attraktives entgegensetzen zu können. Das merken die Menschen, die sich, zum Glück, in ihrer Mehrheit nicht mehr überzeugen lassen von der Anziehungskraft der gängigen Wolkenkuckucksheime. Sie möchten schon genauer wissen, wie sich ihr Lebensstandard halten, vielleicht verbessern ließe, gerne auch ohne die schlechteren Seiten des Kapitalismus. Aber da kam bisher nicht allzu viel. Das wird, vermuten wir, auch heute so bleiben.

Quelle: Berliner Morgenpost

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