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Börsen-Zeitung: Vom Sturm zum Orkan

Archivmeldung vom 20.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Von einem vorübergehenden Sommergewitter spricht mittlerweile keiner mehr. Was sich an den Finanzmärkten abspielt, ist längst ein Sturm geworden, vielleicht sogar ein schwerer Sturm. Ein Blick durch die Schlagzeilen der Medien und die Studien der Banken-Analyseabteilungen genügt, um den Ernst der Lage zu erkennen: "Fear and panic in the markets", "Philly Fed Index stürzt ab", "USA am Rande der Rezession", "Schwarzer Tag für den Dax". Die bis Ende Juli vorherrschende, angesichts der Schuldenkrise und der bereits seit einiger Zeit abwärts tendierenden Frühindikatoren verwunderliche Gelassenheit der Akteure an den Aktienmärkten ist völlig verflogen.

Die schiere Angst der Marktteilnehmer wird von vielen Indikatoren belegt. So hat die Flucht in Sicherheit die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe erstmals seit 1945 unter die Schwelle von 2% fallen lassen, die Verzinsung der deutschen Staatstitel ist auf ein Rekordtief von 2,03% gesunken und der Goldpreis eilt von Rekord zu Rekord. Bis 2000 Dollar fehlten der Feinunze Gold am Freitag noch 6,6%, und Experten, die das baldige Erreichen der Schwelle voraussagen, stoßen schon lange auf keinen Widerspruch mehr. In freiem Fall dagegen Risiko-Assets: Der Dax hat mit einem Tagesverlust von bis zu 7% den heftigsten Absturz seit dem Lehman-Crash erlebt, die Preise für konjunktursensible Rohstoffe wie Öl brechen unter dem Eindruck der sich verstärkenden Rezessionsängste ebenfalls ein.

Von Übertreibung zu sprechen ist angesichts dieser Extreme und der Heftigkeit der Kursschwankungen sicherlich richtig, wird aber den Marktteilnehmern nicht ganz gerecht. Schließlich ist ihnen sehr viel, d.h. zu viel auf einmal zugemutet worden. Erstens hat sich der Eindruck verstärkt, dass sich zum einen die Schuldenkrise auf eine den Fortbestand der Währungsunion gefährdende Weise verschärft und zum anderen die politische Führung Europas überfordert ist.

Hinzu kommt zweitens die Befürchtung, dass die Weltwirtschaft nicht nur eine normale Wachstumsabschwächung nach dem starken Aufschwung, einen sogenannten Soft Patch, erlebt, sondern ihr der Rückfall in die Rezession, der sogenannte Double Dip, bevorsteht. Wichtige US-Konjunkturindizes für die verarbeitenden Branchen haben kritische Niveaus erreicht, und die verstärkten Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen schüren die Befürchtungen über eine deutlich nachlassende Nachfrage. Drittens sorgen zunehmende Anzeichen einer erschwerten Refinanzierung im Bankensystem für erhebliche Nervosität. Hinweise auf eine bevorstehende Rezession und einen eventuellen Stillstand des Interbankenmarkts? Das erinnert die Marktteilnehmer auf fatale Weise an das Lehman-Desaster. Die Empfindlichkeit, mit der sie auf entsprechende Nachrichten und Gerüchte reagieren, hat auch damit zu tun, dass die erschütternde Absturzerfahrung vom Sommer und Herbst 2008 noch in frischer Erinnerung ist.

Kein Wunder, dass in einem solchen von der Psychologie dominierten Umfeld sachliche Argumentation kaum Gehör findet. Dass die Unternehmen wesentlich robuster und profitabler sind als vor drei Jahren, bremst die Talfahrt an den Börsen ebenso wenig wie die Bewertungen, die so niedrig sind, dass Aktien, gemessen am Dax, mittlerweile auch dann günstig bewertet wären, wenn für das nächste Jahr kein Wachstum mehr, sondern eine Stagnation der Gewinne unterstellt würde.

Diese Konstellation ist potenziell sehr gefährlich. Denn nicht nur die Finanzmärkte werden stark von der Psychologie beeinflusst, sondern auch die Realwirtschaft. Wenn der Kurssturz an den Börsen nicht bald ein Ende findet, drohen negative Rückkopplungen in der Wirtschaft. Der Absturz des auf Umfragen bei den Unternehmen basierenden regionalen Konjunkturindex der Philadelphia Fed, der die Marktteilnehmer so stark erschreckt hat, dürfte zu einem guten Teil auf die Marktturbulenzen zurückzuführen sein. Es wird daher sehr interessant sein, ob auch das am Mittwoch zur Veröffentlichung anstehende Ifo-Geschäftsklima solche Spuren der Verunsicherung in der Wirtschaft aufzeigt.

Kommen die Finanzmärkte nicht zur Ruhe, könnte sich eine Spirale entwickeln mit der Folge, dass anstelle der derzeit von den Experten noch unterstellten deutlichen Wachstumsabschwächung doch eine Rezession kommt. Wenn das geschieht bzw. von immer mehr Indikatoren angezeigt wird, wird aus dem Sturm ein Orkan.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)

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