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Berliner Morgenpost: Wir sind schon lange nicht mehr Papst

Archivmeldung vom 19.04.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.04.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Fünf Jahre ist es her, dass der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger zum Papst ernannt, dass der scharfzüngige Hardliner in atemberaubendem Tempo zum sanften Hirten umgedeutet wurde. "Wir sind Papst", die berühmte "Bild"-Schlagzeile, gibt die Stimmung jener Tage wieder: eine Art katholisches Sommermärchen, von dem auch Nicht-Katholiken ganz ergriffen waren. Vorbei.

Der Stolz auf den deutschen Papst ist der Scham über die Wortkargheit dieses intellektuellen Mannes gewichen - zumindest wenn es um die schier endlose Missbrauchsaffäre geht, die seine Kirche erschüttert wie kein anderes Ereignis der vergangenen Jahrzehnte. Dass Benedikt XVI. vor zwei Jahren in den USA auf Missbrauchsopfer zuging, dass er sich gestern bei seinem Besuch auf Malta erneut mit Missbrauchsopfern traf - zu zaghaft sind die Gesten, zu akademisch ist der Diskurs des Papstes. Es geht ihm in erster Linie immer um die Verteidigung des Katholizismus, den er als Kurpackung gegen den "Relativismus" versteht, der unsere Welt beherrsche. Diskussionen um den Zölibat, wie sie nach den zahllosen bekannt gewordenen Übergriffen durch Priester und Patres überall geführt werden, erreichen den Papst nicht. Das ist nicht sein Thema. In der Welt des katholischen Klerus werden die in Jahrhunderten tradierten Glaubensregeln nicht ernsthaft in Frage gestellt. Es würde ihn selbst in Frage stellen. Der deutsche Papst verfolgt das Gegenteil dessen, was sich ein großer Teil der katholischen Basis wünscht: Er will die Kirche nicht noch weiter öffnen, er will sie lieber klarer abgrenzen von anderen Religionen und von Modernismen. Das prägt auch den Umgang der Kirche mit Regelverstößen. So ist es möglich, dass ein Bischof erst die mutmaßlichen Opfer seiner Schläge der Lüge bezichtigt, um dann Wochen später selbstbewusst die "ein oder andere Watsch'n" einzuräumen. So ist es möglich, dass Bischof Mixa auf die einhellige Empörung seinen Kritikern unterstellt, sie würden "künstlich eine Lüge konstruieren" - wo es sich doch bloß um eine Erinnerungslücke handele. So ist es möglich, dass sich Bischof Mixa nicht in Grund und Boden schämt. Und dass er nicht zurücktritt. Das Vertuschen, Leugnen, Kleinreden ist es, das selbst fromme Katholiken abstößt - und zweifeln lässt. Widerspricht es doch der hohen moralischen Messlatte, die gerade Benedikt XVI. in Glaubensfragen gerne anlegt. Noch immer scheint in weiten Teilen der Kirchenführung der ernsthafte und überzeugende Wille zur Aufklärung der Gewaltexzesse und sexuellen Übergriffe zu fehlen. Und erst recht der Wille zum Diskurs darüber, was für den Alltag der Kirche und ihrer Vertreter zu folgen hat - jenseits von Ermittlungen, Sanktionen und Rücktritten. Diesen Diskurs bleibt der deutsche Papst schuldig. Er hat andere Themen und eine klare Mission: Seine Kirche soll ein Bollwerk gegen die Beliebigkeit sein - stark im Glauben, abgeschottet gegen Einflüsterungen der modernen Welt. Von der Lebenswirklichkeit deutscher Katholiken ist das denkbar weit entfernt.

Quelle: Berliner Morgenpost

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