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Leipziger Volkszeitung zum Fall Marco

Archivmeldung vom 15.12.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.12.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Kaum noch hatte man es zu hoffen gewagt. Aber nun wird der 17-Jährige Weihnachten daheim verbringen können, im Kreis seiner Familie. Und doch ist der Albtraum, zu dem sich ein Flirt in den Osterferien ausgewachsen hat, nicht zu Ende. Denn der Prozess geht weiter.

Und bis dieses unwürdige Tauziehen um zwei Minderjährige aus den EU-Ländern Deutschland und Großbritannien auf dem Staatsgebiet des EU-Aspiranten Türkei wirklich vorüber ist, gilt zwar selbstredend die Unschuldsvermutung, bleibt aber auch der Vergewaltigungs-Verdacht. Bleibt das Damoklesschwert einer langen Haftstrafe. Wenngleich die Freilassung des Jungen ohne Kaution und mit der Erlaubnis, das Land zu verlassen, die Hoffnung nährt, dass noch alles gut wird. Doch was heißt schon gut? Was all dies für die Psyche eines Jugendlichen bedeutet, kann niemand ernsthaft ermessen. Schon die mehr als acht Monate in türkischer Haft, unter für uns unwürdigen Bedingungen, umgeben von Menschen, die eine andere Sprache sprechen, werden Schatten auf Marcos Persönlichkeit hinterlassen.Und auch die 13-jährige Charlotte, die er vergewaltigt oder sexuell belästigt haben soll, die von ihrer Mutter offenkundig benutzt wurde, um von der eigenen Verletzung der Aufsichtspflicht abzulenken, die durch die britischenMedien gezerrt wurde, kann kaum unbeschadet aus dieser Geschichte wieder herauskommen. Dies alles nun in heiligem Zorn der türkischen Justiz vorzuwerfen, mag einstweilen die Lufthoheit über den Stammtischen garantieren, zielt aber zu kurz. Denn so schwer Marcos Martyrium auch mit unserem Verständnis von Recht und Gerechtigkeit vereinbar ist - türkische Gerichte messen mit türkischen Maßen. Und dass in Deutschland Politiker vorschnell auf Druck gesetzt und die Türkei als herzlosen Willkürstaat abgekanzelt haben, war sicher kontraproduktiv. In der Folge hat das Gericht in Antalya die bürokratische Karte gespielt, auf Pedanterie, auf Zeit. Es hat gekontert und mit Nachdruck bewiesen, dass es frei ist, keine Rücksicht nimmt auf die Erfordernisse der Politik. Denn der türkischen Staatsführung müssen die Vorgänge hochgradig unangenehm gewesen sein. Aber hat eigentlich das EU-Land Großbritannien alles getan, um Klarheit in dieses diplomatische Vexierspiel zu bringen - und damit für zwei Jugendliche und ihre Familien eine Tragödie abzuwenden? Wie dem auch immer sei: Den Fall Marco sollte sehr genau studieren, wer nach einer Verschärfung des deutschen Sexualstrafrechts ruft. Wenngleich der Schutz Jugendlicher vor sexuellem Missbrauch ein richtiges, wichtiges Ansinnen ist. Es gibt aber Dinge zwischen Himmel und Erde, zwischen Menschen, die lassen sich durch Gesetze nicht regeln. Weil sie mit Moral und Erziehung zusammenhängen. Weil sie des Ertastens und Erspürens, Erlebens, auch der Dehnung von Grenzen bedürfen - weil sie, auch das hat der Fall Marco gezeigt, sich einer objektiven Überprüfbarkeit entziehen - und damit dem Denunziantentum Tür und Tor öffnen. Demokratische Gesellschaften bedürfen der Offenheit und des Vertrauens. Auch um den Preis eines Restrisikos. Das alles sollte man im Hinterkopf behalten. Aber wichtiger ist: Marco ist frei!

Quelle: Leipziger Volkszeitung

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