Neues Deutschland: zum USA-Besuch von Kanzlerin Merkel
Archivmeldung vom 05.05.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Vogelgrippe musste gestern im Stralsunder Rathaus warten. Bush ging vor. Der angekündigte Besuch des USA-Präsidenten im Wahlkreis von Angela Merkel kippte die Tagesordnung der Stadtoberen - und war am Ende noch das konkreteste Ergebnis der zweiten Visite der Bundeskanzlerin im Weißen Haus.
So
viel bemüht-freundlicher Small Talk, so viel demonstrative Einigkeit
waren selten bei deutsch-amerikanischen Begegnungen auf höchster
Ebene. Die für ihre besondere Freiheitsliebe von Bush gebauchpinselte
Angela Merkel verkniff sich dieses Mal jeden öffentlichen Hinweis auf
den Schandfleck Guantanamo, die Freilassung des Deutsch-Türken Murat
Kurnaz oder die CIA-Gefangenenflüge via Bundesrepublik.
Und auch in Sachen Iran war Schulterschluss angesagt. Die deutsche
Kanzlerin gilt in Washington angesichts eines innenpolitisch wohl
irreparabel angeschlagenen Tony Blair inzwischen als d i e
europäische Adresse, zumal sie in Teheran ebenfalls als potenzielle
Vermittlerin gesehen wird. Man darf gespannt sein, wie das gehen
soll, wenn ihr ein selbst verordneter Maulkorb offensichtlich sogar
verbietet, die Forderung nach einem direkten Dialog über das
Atomprogramm zwischen den USA und Iran zu wiederholen. Bush sprach
vor allem mit Blick auf Russland und China von der Suche nach einer
diplomatischen Lösung, ließ sich aber die Hintertür für einen
Alleingang der Supermacht offen. Auch die transatlantische Harmonie
kennt Grenzen.
Quelle: Pressemitteilung Neues Deutschland