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Mittelbayerische Zeitung: Die Stunde des Militärs

Archivmeldung vom 12.02.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.02.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das langsame Dahinscheiden des letzten Pharaos erinnert in seiner Tragik an die letzten Tage im Führerbunker: Obwohl der Untergang nahte, klammerte sich Husni Mubarak an die Macht - ohne sich um das Schicksal des eigenen Volks zu scheren. Doch er erkaufte sich nur eine Gnadenfrist für wenige Stunden. Mit seiner letzten Fernsehansprache demaskierte sich der Herrscher von Kairo als ein der Welt Entrückter, der mit seinem Altersstarrsinn und seinem Realitätsverlust möglicherweise genau das erreicht, was er angeblich vermeiden wollte: Ägypten ins Chaos zu stürzen.

Nein, das war es nicht, was die Demonstranten von Mubarak hören wollten, als er in vielen verschwurbelten Sätzen kundtat, dass er nicht zurückzutreten gedenke. Anstatt die erlösenden Worte zu sagen, die die Lage entspannt hätten, listete er in einer langen Litanei auf, welche Verfassungsartikel er demnächst ändern werde. Aber ausgerechnet die wichtigsten Befugnisse, nämlich die Verfassungsgewalt sowie das Recht, Minister zu entlassen und das Parlament aufzulösen, wollte Mubarak nicht an seinen Vize Omar Suleiman abgeben. Von einem Machtwechsel konnte also nicht die Rede sein. Der Despot wollte um jeden Preis vermeiden, als Präsident in die Geschichtsbücher einzugehen, der vom Volk gestürzt wurde. Aber mit seiner letzten Fernsehansprache hat Mubarak geschafft, was der Protestbewegung bisher nicht gelang: Das ganze Land quer durch alle Bevölkerungsschichten gegen ihn aufzubringen - und das Militär. Was als Protest zorniger und perspektivloser Jugendlicher begann, ist zu einer Revolution angeschwollen, die inzwischen auch von Arbeitern, Beamten und Beduinenstämmen selbst in entlegenen Landesteilen getragen wird. Die Generation der Eltern und Großeltern will nicht länger zusehen, wie ihre demonstrierenden Kinder und Enkel von den wildgewordenen Schergen Mubaraks totgeprügelt oder in Foltergefängnisse geworfen werden. Die Dramaturgie der Ereignisse deutet klar darauf hin, dass jetzt die Stunde der Generäle geschlagen hat. Zunächst überbrachte ein hoher Vertreter der Armee den Demonstranten am Donnerstag die Botschaft, alle ihre Forderungen würden am Abend erfüllt. Stunden später hielt Mubarak seine Durchhalte-Rede, mit der er die Militärs brüskierte. Am Freitag zog die Opposition vor den Präsidentenpalast. Die Flucht Mubaraks und sein anschließender Rücktritt lassen sich nur damit erklären, dass die Generäle den Pharao fallen ließen und ihn aus dem Amt drängten. Ägypten steuert nun auf unsichere Zeiten zu, denn die Situation ist hochriskant: Es droht ein Machtvakuum, das die Soldateska nicht zulassen kann. Denkbar ist ein Militärputsch, bei dem eine Marionette als Präsident installiert wird. Hoffentlich läuft es nicht auf Geheimdienstchef Suleiman hinaus, den obersten Folterknecht Mubaraks, eine Interimsregierung zu führen. Dann würden die Proteste auf den Straßen weitergehen und schlimmstenfalls blutig niedergeschlagen. Denn die Armee hat viele Pfründe zu verlieren, die ihr das System Mubarak garantierte. Es könnte aber auch genau andersherum kommen: Drei Wochen lang stand das Militär - zumindest nach außen hin - auf der Seite des Volkes. Es verpasste dem Tyrannen am Freitag den entscheidenden Schubs von seinem Thron. Die Generäle könnten jetzt auch eine Übergangszeit ausrufen, von der niemand weiß, wie lange sie dauert, an deren Ende aber dann tatsächlich freie Wahlen stehen. Die arabische Revolution ist nicht vorbei - sie beginnt erst. Mit Mubarak ist der mächtigste Steinzeit-Potentat der Region gefallen. Das ist ein unüberhörbares Signal an die arabische Welt: Die Despoten-Dämmerung ist nicht mehr aufzuhalten.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung

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