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Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Atomkraft in Deutschland

Archivmeldung vom 23.03.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Restrisiko ist ein furchbares Wort, Sicherheit ein viel schöneres. Nach der Atomkatastrophe von Japan ist Sicherheit das am häufigsten verwendete Wort in Deutschland. Sicherheit habe bei der Kernkraft oberste Priorität, betont Kanzlerin Angela Merkel und setzt gleich zwei Kommissionen ein, die über die sichere Beendigung der Kernenergie beraten sollen.

In der Bevölkerung ist der Schock groß, dass der hochindustrialisierte Westen sein Versprechen nicht einhalten kann, die Atomkraft zu beherrschen. Mit dem inflationären Gebrauch des Wortes Sicherheit begegnen unsere Politiker der Verunsicherung sprachlich und reagieren auf die in Deutschland mehr als anderswo weit verbreitete Vollkaskomentalität. 450 Millionen Versicherungsverträge haben die Bundesbürger abgeschlossen - statistisch kommen also auf jeden von uns sechs Policen. Damit sind die Deutschen Weltmeister. Sie tun sich schwer mit der »Risikogesellschaft« - ein Begriff, den der Soziologe Ulrich Beck prägte und der den Abschied von Gewohnheiten und Traditionen meint. Der nachvollziehbare Wunsch nach Sicherheit erweist sich mehr und mehr als Illusion. Die Deutschen wünschen sich feste Jobs - stattdessen boomt die Leiharbeit, viele Arbeitsverträge werden immer nur für ein Jahr abgeschlossen. Die Deutschen wünschen sich eine auskömmliche Rente - stattdessen wird sie für die meisten kümmerlich ausfallen. Die Deutschen wünschen sich eine intakte Umwelt - stattdessen sorgt der Lebensstil der industrialisierten Welt für Raubbau an der Natur und heizt das Klima auf. Hinzu kommen Bedrohungen neuerer Art wie der islamistische Terror. Dem gegenüber stehen Fortschrittsgläubigkeit und Machbarkeitswahn: Krankheiten werden als selbstverständlich reparierbare Störfälle betrachtet, der Tod immer weniger akzeptiert. Das Gefühl der Ohnmacht, wie jetzt angesichts des Desasters in Japan, passt da nicht hinein. Auch wenn der Wunsch nach totaler Sicherheit illusorisch ist, leben die Deutschen im 21. Jahrhundert so sicher wie noch nie. Weltkriege sind unwahrscheinlich, die Lebenserwartung steigt dank medizinischem Fortschritt stetig. Und die Automobiltechnik hat mit dafür gesorgt, dass die Zahl der Verkehrstoten 2010 zum ersten Mal unter 4000 blieb. Unsere Vorfahren im Mittelalter starben an Lungenentzündung, die Pest raffte Millionen Menschen hinweg, Unwetter führten zu Missernten und Hungertod, die Lebenserwartung lag bei 35 Jahren. Sicherheit? Fehlanzeige! Wenn der Deutsche hinfalle, stehe er nicht auf, sondern suche jemanden, der schadenersatzpflichtig sei, schrieb Kurt Tucholsky. Die Katastrophe in Japan zeigt, dass neben den Wechselfällen des Lebens auch so existenzielle Dinge wie die Energie nicht völlig kontrollierbar sind. Der Atomausstieg, wie ihn die Mehrheit der Deutschen zum Schutz der Gesundheit befürwortet, würde das Leben immerhin etwas sicherer machen.

Quelle: Westfalen-Blatt

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