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Börsen-Zeitung: Microsofts großer Wurf

Archivmeldung vom 02.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das wird eine kurze Sanierung für Jerry Yang. Gut sieben Monate nach Amtsantritt ist dem Yahoo-Chef ein Übernahmeangebot von Microsoft ins Haus geflattert, das er eigentlich akzeptieren sollte, will er seine leidgeprüften Aktionäre nicht vollends auf die Barrikaden treiben.

Gerade nach seinen windelweichen Ankündigungen in der Telefonkonferenz zum jüngsten Quartalsergebnis werden die Anteilseigner kaum warten wollen, bis der Yahoo-Chef allein Kraft seiner Management-Expertise den Kurs um 62% auf 31 Dollar je Aktie hat steigen lassen. Für die Yahoo-Aktionäre ist der von Microsoft gebotene Wert also ein attraktives Angebot.

Dies ist ein stolzer Preis: Mit 31 Dollar je Aktie offeriert Microsoft zwar nicht mehr, als Yahoo-Aktien noch im November gekostet hatten. Das vor dem Wochenende unterbreitete Angebot bewertet das Unternehmen allerdings mit dem 66-fachen des 2008 erwarteten Gewinns je Aktie - Google gesteht der Markt gerade einmal ein Multiple von 28 zu.

Werden Schulden, Barmittel und außerbilanzielle Werte wie die Beteiligungen an Yahoo Japan und an Alibaba mit einbezogen, schrumpft das Vielfache auf das etwa 16- bis 17-fache des im laufenden Jahr erwarteten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; dies ist ungefähr das Niveau des übermächtigen Konkurrenten.

Die Bewertung durch das Angebot von Microsoft ist das einzige, womit Yahoo es mit Google derzeit aufnehmen kann. Mit "Panama", ihrem im vergangenen Februar eingeführten System zur Anzeige von Werbe-Links, hat die Gesellschaft bisher kaum einen Hering vom Teller gezogen. Ob E-Mail, Musik, Finanzen, Nachrichten, Film oder Reise - Sport ausgenommen -, der Suchmaschinenanbieter verliert derzeit in den wertvollsten Bereichen des Internet Nutzer und Marktanteile.

Die Stellung Microsofts im Suchgeschäft ist unterdessen kaum der Rede wert. Wenn das Unternehmen aber nicht einmal das eigene Geschäft nach vorne bringen kann, warum sollten sie es dann schaffen, darüber hinaus noch einen schlingernden Wettbewerber zu stabilisieren? Kein Zweifel: Hier sollen zwei Fußlahme gegen einen Leichtathleten antreten.

Der große Wurf, zu dem Microsoft im Online-Geschäft nun ausgeholt hat, könnte sich denn auch rasch als Schlag ins Wasser herausstellen. Im Online-Such- und Werbegeschäft zählten vor allem Größeneffekte, hieß es am Freitag in der Telefonkonferenz des Unternehmens, das mit dem gebotenen Preis einen Betrag aufs Spiel setzt, der immerhin dem dreifachen Jahresgewinn entspricht. Eben die viel beschworenen Größeneffekte aber arbeiten gegen die Unternehmen. Warum sollten die Nutzer in einem Markt, in dem die Anteile längst verteilt sind, entgegen ihrer Gewohnheit künftig Microsoft/Yahoo bevorzugen? Damit Werber die Seiten wechseln, müsste Microsoft ihnen beweisen, dass sie ihre Reklame effizienter platziert. Dies wird jedoch schwer fallen, so lange der Internet-Suchverkehr an beiden, an Microsoft und Yahoo, weitgehend vorbei fließt.

Zwei schwache ergeben kein starkes Unternehmen, es sei denn, Microsoft schaffte es, aus dem Online-Geschäft beider etwas zu formen, das mehr ist als die Summe seiner Teile.

Die Chancen dafür stehen aber schlecht. Microsoft wäre wohl das erste Unternehmen, dem es gelänge, Software- und Online-Aktivitäten reibungslos zu integrieren. Unterschiede im Selbstverständnis beider Branchen sind ja vielleicht auch der Grund, warum die Internet-Sparte der Gesellschaft als einzige von fünf Konzerneinheiten rote Zahlen schreibt: trotz riesigen Barbestands, trotz eines bekannten Namens und trotz größter Anstrenungen des Software-Konzerns.

Es kommt wohl nicht von ungefähr, wenn im Markt erzählt worden ist, Google selbst habe im vergangenen Jahr Gerüchte über eine bevorstehende Offerte Microsofts für Yahoo gestreut, um talentierte Jobanwärter davon abzuhalten, beim Konkurrenten anzuheuern.

Microsoft, nicht eben als Ausbund einer schlanken Organisation bekannt, muss nun nicht nur zusehen, wichtige Leute zu halten, sondern auch zahlreiche Mitarbeiter zu feuern, sollen die angestrebten Einsparungen von mindestens 1 Mrd. Dollar jährlich Realität werden. Die Suchmaschinen beider Unternehmen sind zu verknüpfen, zudem müssen Perspektiven her unter anderem für die Foto-Site Flickr sowie für den Open-Source-Programmanbieter Zimbra, die sich Microsoft mit dem Suchmaschinenanbieter einhandelt.

Die Zusammenführung wird Kräfte binden und dem Marktführer Google Gelegenheit bieten, seine Stellung zu festigen - in einem Markt, den eine schwache Konjunktur zusehends abbremst. Die Chancen stehen daher nicht schlecht, dass der Platzhirsch als der große Gewinner aus dem Zusammenschluss seiner Konkurrenten hervorgehen wird. Microsoft geht mit der Offerte Risiken in bisher beispiellosem Ausmaß ein. Für Yahoo-Chef Jerry Yang ist es dagegen ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Bernd Neubacher)

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