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BERLINER MORGENPOST: zur Vielzahl der Volksbegehren in Berlin

Archivmeldung vom 12.07.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.07.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

So viel Politik war nie in der Stadt. Bürger kämpfen für bessere Kinderbetreuung in Schulhorten oder gegen eine Ausschreibung der S-Bahn. Andere wollen ein Recht durchsetzen, auf jeden Fall an den Universitäten ein Masterstudium zu absolvieren. Mal geht es grundsätzlich gegen nächtliche Flüge vom neuen Flughafen in Schönefeld, woanders nur für den Erhalt der Sportanlage Buchenwäldchen.

Die vor fünf Jahren deutlich verbesserten Möglichkeiten für die Bürger, sich direkt an politischen Entscheidungen auf Landes- und Bezirksebene zu beteiligen oder die Politiker auf den gewünschten Kurs zu zwingen, hat in Berlin ungeheure Energien freigesetzt. Keine Spur von Politikverdrossenheit, im Gegenteil: Wo es konkret wird und wo ihnen ein Thema wirklich unter den Nägeln brennt, wollen Bürger sich engagieren, mitreden, mitentscheiden. 25 Vorhaben für Volksbegehren oder Volksinitiativen auf gesamtstädtischer Ebene seit 2006 und 31 Bürgerbegehren in den Bezirken legen Zeugnis ab von dem Anspruch, das Schicksal der Stadt nicht länger nur den Polit-Profis zu überlassen. Bürger können direkt Druck auf den Senat ausüben und ihn zum Handeln zwingen. So geschah es mit dem Volksbegehren für bessere Kitas, so wird es auch mit der Initiative für bessere Horte laufen, wo die Betreuungslücke für die fünften und sechsten Klassen wohl demnächst geschlossen wird. Natürlich muss niemand alle diese Initiativen gut finden. Direkte Demokratie bietet auch Spielräume für Profilneurotiker, radikale Aktivisten jeglicher Couleur und Menschen, die ihren Partikularinteressen das Mäntelchen des Allgemeinwohls umhängen möchten. Aber es gehört zu einer Bürgergesellschaft, solche Hintergründe zu erkennen und mit Nichtachtung oder einem Nein zu strafen. Inzwischen lässt sich abschätzen, welche Anliegen genügend Unterstützer finden, um die immer noch anspruchsvollen Hürden bis zu einem siegreichen Volksentscheid zu überspringen. Die Offenhaltung des Flughafens Tempelhof etwa war in einem Teil der Stadt ein wichtiges und emotionales Thema, für viele andere Bürger jedoch nicht. In einer religionsfernen Stadt wie Berlin eine Mehrheit für die Aufwertung des Religionsunterrichts zu organisieren, war ebenfalls nicht möglich. Volksbegehren haben offenbar eine Chance, wenn ihr Inhalt alle betrifft, wie etwa die erfolgreiche Initiative gegen Privatisierung des Berliner Wassers. Sie werden dann angenommen, wenn sie tatsächlich von engagierten Bürgern getragen werden wie das Wasser-Volksbegehren. Dass sich Volks- und Bürgerbegehren stets gegen die Regierungen wenden, liegt in der Natur der Sache. Wenn der Senat dafür wäre, bräuchten ihm die Bürger nicht Beine zu machen. Der rot-roten Koalition gebührt Achtung dafür, dieses Widerstandspotenzial gegen sich selbst mit ihren Gesetzen für mehr direkte Demokratie freigesetzt zu haben. Jetzt muss sie mit den Geistern kämpfen, die sie gerufen hat - also auch mit den Bürgern, die mit der Politik des Senats unzufrieden sind. Für die politische Kultur in der Stadt sind die neuen Spielräume aber ein Gewinn. Auch wenn sich erweist, dass Demokratie eben doch sehr anstrengend ist.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)

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