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WAZ: Die vermurkste Gesundheitsreform

Archivmeldung vom 23.09.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.09.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Regierung findet die Gesundheitsreform transparent, stabil und gerecht. Minister Rösler ist mit dem Erreichten sehr zufrieden. Diese schönen Worte lassen eigentlich nur einen Schluss zu. Offenbar gibt es eine zweite, bislang streng geheime Gesundheitsreform. Denn das, was Rösler gestern vorgestellt hat, ist ein vermurkster Kompromiss, der vor allem zu Lasten der Versicherten geht.

Freilich gelingt es Rösler so, das Elf-Milliarden-Loch der gesetzlichen Kassen für 2011 weitgehend zuzuschütten. Dafür gebührt Rösler Respekt - zumal er es nicht nur mit beinharten Lobbygruppen zu tun hatte, sondern auch mit einer CSU, die nur durch ihre sture Oppositionshaltung von sich reden machte. Unter dem Strich aber ist Rösler gescheitert. Im Wahlkampf hat die FDP versprochen, den Gesundheitsfonds abzuschaffen und dem Kassensystem ein neues Fundament zur Finanzierung zu bauen. Daraus wurde ein weiter entwickelter Zusatzbeitrag, den die Versicherten nun als eine Art Mini-Kopfpauschale alleine bezahlen müssen. Eine gerechte Lastenverteilung sieht nicht nur deswegen anders aus. Rösler wälzt künftige Kostensteigerungen auf die Arbeitnehmer ab, indem er den Arbeitgeberanteil für die Gesetzliche Krankenversicherung einfriert. Das wäre noch vertretbar gewesen, wenn die Koalition einen Gesundheitssoli eingeführt hätte. Dazu war die FDP nicht bereit. Unter dem Strich zahlt so der Mittelstand den Löwenanteil an der Reform. Zum einen über Steuergelder, die in den Sozialausgleich fließen. Zum anderen erleichtert Rösler Gutverdienern die Flucht zu den Privatkassen, in dem er den Wechsel erleichtert hat. Das entzieht dem System der GKV Geld. Dass die Ärzte, Kliniken und Krankenkassen bluten müssen, macht die Reform nicht viel gerechter. Schließlich wird dort nicht gekürzt, sondern das künftige Plus knapper bemessen. Einen großen Sieg hätte Rösler erringen können, indem er die Pharmaindustrie an die Kandare nimmt. Danach sah es zunächst aus. Da der Bund bei der Medikamentenzulassung, bei der es für die Konzerne um immense Gewinne geht, unabhängigen Prüfern hineinreden möchte, muss sich Rösler den Vorwurf gefallen lassen, dass er vor der Pharmalobby eingeknickt ist. Ein großer Wurf ist die Reform nicht. Damit findet sich Philip Rösler in guter Gesellschaft. Weder der Regierung Schröder noch der Großen Koalition ist ein fundamentaler Umbau im Gesundheitssystem gelungen. Die nächste Reform ist nur eine Frage der Zeit.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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