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"DER STANDARD": "Wie die ÖVP ihr Gesicht verliert"

Archivmeldung vom 28.08.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.08.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es gibt viele und gute Argumente für die Abschaffung der Wehrpflicht - sie sind derzeit in der SPÖ mehrheitsfähig. Es gibt auch ähnlich viele und ähnlich gute Argumente, die Wehrpflicht beizubehalten - in der ÖVP_folgt man eher diesen. Und zwar immer dann besonders gerne, wenn sich das Bundesheer wieder einmal bei einem Hilfseinsatz bewährt hat.

Für die Abhaltung einer Volksabstimmung über die Wehrpflicht gibt es viel weniger Argumente - und nur eines darf als wirklich gut gelten: Im Vorfeld einer Volksabstimmung würden alle Bürger einmal intensiv mit Fragen der Landesverteidigung konfrontiert. Eine Lösung des Konflikts zwischen ÖVP_und SPÖ um das künftige Wehrsystem könnte eine Volksabstimmung entgegen einer bis in hohe politische Kreise hin verbreiteten Meinung nicht bringen:_Denn um bei der derzeitigen Gesetzeslage eine Volksabstimmung überhaupt durchführen zu können, müssten sich die beiden Regierungsparteien auf einen Text zur Abschaffung der Wehrpflicht einigen, diesen im Nationalrat beschließen und dann dem Volk zur Bestätigung vorlegen.

Das heißt im Klartext: Die ÖVP_müsste ein Gesetz mitbeschließen, das von ihr abgelehnt wird - und dann die Bürger dazu aufrufen, genau dieses Gesetz per Abstimmung zu Fall zu bringen.

Das wäre eine Vorgangsweise, die die Politik insgesamt und die Volkspartei im Besonderen als völlig unglaubwürdig dastehen lassen würde. Dass Michael Häupl so eine Vorgehensweise der ÖVP_zumuten will, mag als schlauer Plan zur Schwächung der Schwarzen verstanden werden. Wen aber will Erwin Pröll schwächen, wenn er Häupls Vorschlag aufgreift? Was denken sich die anderen Landespolitiker der ÖVP, wenn sie eine Volksabstimmung fordern?

Wollen sie die Bundespartei demütigen, wollen sie Michael Spindelegger demontieren - oder haben sie einfach zu wenig Ahnung von den gesetzlichen Vorgaben? Das ist zumindest bei jenen unwahrscheinlich, die aus der Bundespolitik kommen wie der neue Kärntner VP-Chef Gabriel Obernosterer oder gar der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, der immerhin einmal ressortzuständiges Mitglied der Bundesregierung war.

Und: Wissen die Landespolitiker nicht, dass es ein ÖVP-Konzept zur Einleitung eines Referendums nach Volksbegehren (und ohne eigenen Gesetzesbeschluss) gibt? Über diesen Weg ließe sich eine Volksabstimmung ohne Gesichtsverlust einleiten - aber dieses von Spindelegger kommende Konzept wird offenbar in seiner eigenen Partei nicht sehr ernst genommen.

Was bleibt also als Ausweg?

Spindelegger weiß offenbar keinen. Bundeskanzler Werner Faymann dagegen schon: Er hat am Montag der ÖVP angeboten, statt einer Volksabstimmung doch lieber eine Volksbefragung durchzuführen. Für dieses Instrument braucht man nämlich - was offenbar den sogenannten "Granden" der ÖVP_nicht bekannt ist - keinen vorherigen Gesetzesbeschluss.

Die ÖVP könnte diesen Weg ohne Gesichtsverlust gehen, wenn man sich auf einen Befragungstext einigen kann, der nicht (wie das bei manchen Wiener Volksbefragungen üblich war) aus einer Suggestivfrage besteht. Und sie könnte die Diskussion wieder auf die sachliche Ebene bringen. Dann würde darüber diskutiert, ob die Argumente für ein Berufsheer schwerer wiegen oder die für die Wehrpflicht.

Quelle: Der Standard (ots)

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