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DER STANDARD-Kommentar "Wer bremst, verliert"

Archivmeldung vom 02.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es ist eine ausgedehnte Reise durch Absurdistan, bis hinein in die tiefsten Täler und entlegendsten Winkel des Beamtentums. "Der Bürokratie in Österreich entkommt niemand", stellt Rechnungshofpräsident Josef Moser fest. Die Verwaltung verwaltet sich selbst, das System dient sich selbst, die Bürokratie hat ihren Sinn in der Bürokratie. Die Bürger sind oft nur ein Störfaktor. Zweigleisigkeiten gelten dabei noch als schlanke Strukturen: Im aktuellen Rechnungshofbericht sind dutzende Beispiele von Drei-, Vier- und Fünfgleisigkeiten angeführt.

Die österreichische Verwaltung gleicht immer noch einem unüberblickbaren Verschubbahnhof, in dem die Effizienz letztendlich auf dem Abstellgleis endet. Österreich ist überreguliert. Jeder Politiker, der dieser Tage die Schuldenbremse propagiert und für ihre Verankerung in der Verfassung eintritt, sollte zwangsweise dazu verpflichtet werden, sich den aktuellen Rechnungshofbericht zu Gemüte zu führen. Das gilt insbesondere für Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger, die derzeit noch um die Zustimmung der Opposition zu ihrer Art von Schuldenbremse ringen. Es sind bloß 334 Seiten, gefüllt mit Beispielen aus der Praxis. Der Rechnungshof zeigt 599 Einsparungsvorschläge auf, wie die Verwaltung schlanker werden könnte. Nicht alle Beispiele zielen auf einen Einsparungseffekt ab, manche machen das System auch nur effizienter: wenn etwa Polizeibeamte weniger intensiv ihr Wachzimmer und ihren Dienst administrieren und stattdessen im Außendienst für mehr Sicherheit sorgen würden. Viele der Beispiele, die der Rechnungshof auflistet, sind nicht neu. Die Verbesserungsvorschläge sind auch in den Berichten der vergangenen Jahre gut dokumentiert. Es ist ja nicht so, dass man das nicht wüsste. Es fehlte der Politik bisher der Wille und der Mut, diese Reformen anzugehen. Bisher galt: Wer bremst, verliert. Nämlich Geld, Einfluss und Freunde - letztendlich Macht. Wenn die Strukturen schlanker werden, gibt es weniger Geld zu verteilen. Wenn die Verwaltungsposten und die Titel weniger werden, wenn der Proporz zurückgedrängt wird, dann gibt es auch weniger "Gschafteln" zu verteilen, weniger Parteigänger zu bedienen. Dann werden die "Freunde" weniger, dann sinkt der Einfluss - und die Macht. Das wollten bisher weder SPÖ noch ÖVP, weder Faymann noch Spindelegger. Nicht alles, aber vieles liegt in der Grundstruktur der Republik begraben: Das entscheidende Problem ist der Föderalismus, das schwierige Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Da traut sich die Regierung in Wien nicht drüber. Da ist der Spundus vor den Landeshauptleuten und ihrem Einfluss doch wieder zu groß. Auch auf die Gefahr hin zu langweilen, es wurde schon oft und oft gesagt: Der Bundesrat gehört weg. Das ist in erster Linie ein symbolischer Akt, keiner, der viel Geld bringt, aber aufgrund der Willenskundgebung wichtig. Unabhängig davon gehören die Strukturen von den Ministerien bis hinunter in die kleinen Gemeinden angepackt, muss die Ineffizienz des Systems und seiner Verwaltung auf allen Ebenen konsequent angegangen werden. Auch wenn das beim Bund und bei den Ländern den Verlust von Einfluss bedeutet. Diesen Mut und diese Ernsthaftigkeit muss die Regierung noch finden. Die Lektüre des Rechnungshofberichts könnte dabei helfen. Dann kann gebremst werden.

Quelle: Der Standard (ots)

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