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BERLINER MORGENPOST: Der Basar ist eröffnet

Archivmeldung vom 11.04.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.04.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zur Grundsteuer ist ein Paukenschlag. Zum wiederholten Mal zwingen die Richter die Bundesregierung, offenkundig verfassungswidrige Regelungen zu ändern. Sie haben dafür den engen Zeitrahmen von nur einem Jahr vorgesehen. In dem Druck, der durch diese kurze Frist entsteht, liegt die Brisanz des Urteils. In der Sache war es lange erwartet worden. Eine Neuregelung war und ist überfällig.

Anzunehmen ist, dass das Urteil, das derzeit nur für den Westen Deutschlands gilt, auch eine Reform im Osten nach sich ziehen wird. Politischer Sprengstoff entsteht durch die Tragweite, die eine Reform der Grundsteuer haben wird. Jeder wird davon betroffen sein - egal, ob er Hausbesitzer, Mieter oder Unternehmer ist. Für Städte und Gemeinden geht es um einen ganz erheblichen Teil - rund zehn Prozent - ihrer unmittelbaren Steuereinnahmen. Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer die einzige Geldquelle, an der die Kommunen selbst wirksam etwas verändern können. Von den 14 Milliarden Euro, die bundesweit jedes Jahr auf diese Weise zusammenkommen werden, wollen alle so viel wie möglich abhaben. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und seine Kollegen in den Ländern werden nun bei der Reform darauf Rücksicht nehmen müssen. Entsprechend kontrovers wird die Diskussion ab jetzt verlaufen. Der Zeitdruck hilft, zu einer Lösung zu kommen.

Es geht um nicht weniger als die Quadratur des steuerpolitischen Kreises, nämlich darum, die Einnahmen der Kommunen nicht zu schmälern und gleichzeitig die Bürger und die Wirtschaft nicht zusätzlich zu belasten. Schon macht das Wort von der heimlichen Steuererhöhung die Runde. Genau die hat die große Koalition aber explizit ausgeschlossen: "Wir werden die Steuerbelastung der Bürger nicht erhöhen", lautet der zentrale Satz im Koalitionsvertrag, an dem im nächsten Jahr niemand vorbeikommt, auch wenn jeder weiß, dass die Passage im Ernstfall flexibel ausgelegt wird. Eine Entlastung hier, mehr Belastungen dort - es wäre nicht das erste Mal, dass die Politik so argumentiert. Wer bald mehr Steuer für seine Wohnung oder sein Haus zahlen muss, dem ist nicht damit geholfen, dass das Aufkommen aus der Steuer "unter dem Strich" nicht steigen soll. Dass es anders verteilt werden wird als heute, das ist bei 35 Millionen Grundsteuerbescheiden gar nicht anders möglich.

Es wird also Gewinner und Verlierer geben. Die offene Frage ist, wer dazugehört: Eigenheimbesitzer am Stadtrand oder Mieter in der Innenstadt? Gewerbetreibende und Unternehmen? Es geht bei der Grundsteuer nicht um gigantische Summen. Eigenheimbesitzer zahlen pro Jahr einige hundert Euro, Mieter etwa 20 Cent pro Quadratmeter. Sollten sich diese Summen aber verdoppeln oder noch stärker erhöhen, wie es bei einigen Reformvorschlägen möglich ist, dann ist das nicht nur unangenehm. Die sozialen Verteilungswirkungen können dramatisch sein. Wie wird eine Lösung aussehen? Alle Vorschläge für die Reform liegen auf dem Tisch. Es geht jetzt darum, wie bürokratisch, teuer und undurchsichtig die Bewertung der Immobilien ablaufen wird. Klar ist: Eine völlige Neubewertung scheidet aus, sie ist zu aufwändig. Gegen die einfachste Variante, eine Bodenwertsteuer, formiert sich bereits politischer Widerstand, weil sie zu geringe Einnahmen brächte. Das Ergebnis wird irgendwo in der Mitte liegen und schon deshalb kompliziert werden. Am wahrscheinlichsten ist ein großer Kuhhandel auf dem politischen Basar, bei dem sich Kommunen und Länder ihre Zustimmung wieder einmal teuer vom Bund abkaufen lassen werden.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots) von Philipp Neumann

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