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Berliner Morgenpost: Große Versprechen, große Enttäuschung

Archivmeldung vom 14.04.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.04.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Eine der schlimmsten Plagen der Menschheit ist die Erwartung. Ob Weihnachtsgeschenk oder Aktienkurs, ob Hochzeit oder Hertha - nichts trifft uns mehr als enttäuschte Erwartungen. Der Dalai Lama rät: Einfach auf die Erwartungen verzichten. Gut gemeint, aber für den Alltag eher untauglich. Denn wer nichts erwartet, der handelt auch nicht - Erwartungen treiben den Menschen immer wieder aufs Neue an.

Marketingexperten versuchen sich seit jeher in der Kunst des Erwartungsmanagements. Es gilt, auf dem schmalen Grat zwischen Motivation und Enttäuschung zu balancieren. Barack Obama kennt das Problem allzu gut, und Jogi Löw wird es spätestens in der Causa Kuranyi kennenlernen. Um menschliches Handeln zu erklären, verwenden Verhaltensökonomen das Erwartung-mal-Wert-Modell. Als Beispiel mag der vergangene September dienen: Fast 15 Prozent der Wählenden machten das Kreuz bei der FDP - hohe Erwartungen multipliziert mit spürbaren Steuersenkungen bescherten den Liberalen ein phänomenales Resultat bei der Bundestagswahl. Bei manchen Wählern siegte die Aussicht auf mehr Bares offenbar über solide Werte wie Erfahrung oder Überzeugung. Seit gestern ist endgültig klar, dass das Erwartungsmanagement der Westerwelle-Partei versagt hat. So ziemlich nichts von dem, was die FDP im Wahlkampf versprochen hatte, wird eingelöst. Kein Wunder: Angesichts von 80 Milliarden Euro neuer Schulden und allenthalben klammen Kassen sind keine Spielräume für spürbare Steuersenkungen da. Zu diesem Ergebnis hätte man schon im September 2009 kommen können, durch schlichtes Rechnen. Die Kosten der Finanzkrise sind abzustottern, was mit dem Verzicht auf Einnahmen schwerfallen dürfte. An das Märchen von der sich selbst finanzierenden Reform glauben inzwischen nicht mal mehr die Liberalen selbst. So blieb der kleinen Partei mit den großen Versprechen gestern nichts anderes übrig, als Bonsai-Pläne zu Urwaldriesen umzudeuten. Was die Finanzexperten der FDP als großen Wurf vorgelegt haben, entlockt dem Koalitionspartner CDU  ein triumphierendes Grienen. Endlich sind die liberalen Dampfplauderer in der Realität angekommen und reduzieren ihre Reform auf selbstverständliche Kleinigkeiten - ob ein neues Steuermodell nun drei oder fünf Stufen hat, darf man getrost als Detail abbuchen. Und dass die kalte Progression weg muss, hatten die Kanzlerin und ihr Herausforderer Steinmeier bereits im Wahlkampf gefordert. Zugleich werden die bereits erfolgten Entlastungen dieses Jahres in die zugesagten 16 Milliarden Euro eingerechnet, also auch der umstrittene Hoteliersbonus. Die FDP hat das Kunststück fertiggebracht, alle Wählergruppen gleichzeitig zu verprellen. Die Besserverdienenden, weil sie gar nicht berücksichtigt werden. Die Zufallswähler, weil deren Erwartungen enttäuscht wurden. Und die Kleinverdiener, weil sie von den Erleichterungen kaum etwas spüren dürften. Immerhin hat die FDP den wichtigsten Grundsatz des Erwartungsmanagements bewiesen: Nicht Labern muss sich lohnen - sondern Leistung.

Quelle: Berliner Morgenpost

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