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Berliner Morgenpost: Es bleibt noch Zeit genug, den Fehlstart zu korrigieren

Archivmeldung vom 04.02.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Wähler haben sich am 27. September 2009 für eine andere Koalition entschieden. Damit haben sie konsequenterweise die Erwartung auf einen Politikwechsel verbunden. Warum sonst wird eine Regierung abgewählt? Der schwarz-gelben Koalition jetzt vorzuwerfen, sie setze andere politische Schwerpunkte als die Vorgängerregierung, ist heuchlerisch.

Wenn CDU, CSU und FDP also eine grundlegende Reform unseres überkomplizierten Steuersystems, den Umbau des in seiner Wirkungsweise zunehmend gefährdeten Gesundheitssystems oder die Stärkung einer die Gesellschaft tragenden Mittelschicht verwirklichen wollen, haben sie ein klares Mandat der Mehrheit der Deutschen dafür. Wer nach der Schonfrist von 100 Tagen, von der zwar traditionell immer geredet wird, an die sich aber kein politischer Gegner hält, eine erste Bilanz zieht, muss sich - der Kürze der Amtszeit wegen - fairerweise mehr an Stil und Auftreten und weniger an Inhalten orientieren. Aber schon dieses mehr vordergründige Urteil fällt ziemlich fatal aus. Groß ist die verbreitete Enttäuschung über diese - anders als im Fall große Koalition - bürgerlichen Wunschpartner. Bis auf ein Gesetz, das sie mit dem Wortungetüm "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" betitelte, hat diese Koalition ja noch nichts Konkretes auf den Weg gebracht. Sich aber bereits heftig darüber zerstritten, wie das eine und das andere Wahlversprechen umgesetzt werden soll. Dabei kracht es nicht nur zwischen den Parteien, sondern selbst innerhalb von CDU, CSU und FDP. Nach 100 Tagen gemahnt diese proklamierte Wunschehe eher an eine sich der Zerrüttung unaufhaltsam nähernde. Strahlende Wahlsiege scheinen zur Selbstüberschätzung und zum Verdrängen der politischen Realität zu verleiten. Zumal dann, wenn ein Partner, wie jetzt die Liberalen, vor der ersehnten Teilhabe an der Macht lange Jahre einflussloser Opposition durchzustehen hatten. Diese Erfahrung haben schon SPD und Grüne gemacht, als sie 1998 vor Selbstzufriedenheit über die Ablösung Helmut Kohls kaum laufen konnten. Sie legten einen vergleichbaren Fehlstart hin wie elf Jahre später Union und Liberale. Die Probleme Gerhard Schröders und Joschka Fischers waren fast dieselben wie heute die von Merkel und Westerwelle: kein schlüssiges Konzept für die verkündeten Reformvorhaben, deshalb Dauerzwist zwischen den Koalitionären und ein Kanzler Schröder, der zu viel moderierte und zu wenig führte. 100 Tage sind nicht viel angesichts einer 1460 Tage währenden Legislaturperiode. Diese Koalition hat Glaubwürdigkeit eingebüßt. Aber noch bleibt ihr Zeit genug, leichtfertig verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen - durch überzeugende inhaltliche Reformen. Solange über die nur vordergründig spekuliert wird, konkret aber noch fast alles offenbleibt, ist für diese Koalition nichts verloren. Ihre Zukunft hängt nicht von Stimmungen ab, sondern von jenen Taten, die sie für die Zeit nach der nächsten Steuerschätzung im Mai angekündigt hat. Dann kommt es zum Schwur.

Quelle: Berliner Morgenpost

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