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Weser-Kurier: Totentanz im Tunnel

Archivmeldung vom 26.07.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.07.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Weit über eine Million Menschen unterwegs und außer Rand und Band, der Alkohol fließt in Strömen, Sicherheits- und Hilfskräfte kommen an ihre Grenzen - diesen Stresstest bestehen nordrhein-westfälische Metropolen wie Köln oder Düsseldorf jedes Jahr am Rosenmontag. Lag es also vor allem an der mangelnden Erfahrung der Ruhrpott-Großstadt Duisburg, dass ihr "Mega-Event", die diesjährige Love-Parade, zum katastrophalen Totentanz wurde?

Das wäre immerhin eine Erklärung - freilich eine, die nichts entschuldigt und niemanden entlastet. Die Staatsanwaltschaft hat sich gestern umgehend auf die Suche nach den Schuldigen gemacht - das ist gut so. Immerhin geht es darum, den Tod von 19 jungen Menschen und die schweren Verletzungen von Hunderten weiteren aufzuklären. Nach der gestrigen Pressekonferenz verdichtet sich der Eindruck, dass die Verantwortlichen vor allem Verantwortung hin und her geschoben haben. Einig war man sich aber, das Ding auf jeden Fall durchzuziehen. Das hässliche Entlein Duisburg wollte wenigstens für einen Tag ein schrill-bunter Papagei sein. Die gesamte Ruhr-Region wollte ihrer Rolle als Kulturhauptstadt einen weiteren bombastischen Akzent hinzufügen. Veranstalter Schaller wollte die Pleite vom Vorjahr auswetzen - Bochum hatte da aus Sicherheitsgründen dankend abgelehnt. Danach war es wie so oft, wenn sich Entscheider mit geradezu religiöser Inbrunst auf ein Projekt eingeschworen haben: Wer Bedenken äußert, gilt als überfordert, wer gar Warnungen ausspricht, ist ein Querulant. Und Erfahrungen anderer fragt man lieber nicht zu genau ab - schließlich will man ja "eigene" Akzente setzen. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft von Oberbürgermeister, Ordnungsdezernent und Polizeidirektor mit vereinten Kräften abgebürstet wurde: Hatte man nicht über 8000 Sicherheits- und Hilfskräfte zusammengezogen? Hatte man nicht mühsam 840000 Euro aufgetrieben, die dem chronisch klammen Duisburg für Sonderbusse und Absperrmaßnahmen fehlten? Hatte man nicht eigens einen renommierten Panikforscher einbezogen? Ja, hatte man. Aber es war wohl so wie bei Auftragsgutachten: Wenn das Ergebnis nicht zum Projekt passte, wurde es eben passend gemacht. Da Konzept und Gelände in Duisburg einem Ansturm von einer Million Menschen nicht standzuhalten drohten, ging man eben bloß von einer halben Million aus - obwohl im Vorjahr im benachbarten Dortmund anderthalb Millionen Raver gefeiert hatten. Die Verantwortlichen schienen sich dabei ihrer Fahrlässigkeit durchaus bewusst zu sein: Ausgerechnet die Kontrolle über die kritischste Stelle, den tunnelartigen Zugang zum Festgelände, überließen sie allein dem privaten Veranstalter, der auch noch gegen den Rat des Panikforschers auf eine Videoüberwachung verzichteten durfte. Umgangssprachlich kann man längst von kriminellem Leichtsinn sprechen - auf eine rasche juristische Einordnung muss man hoffen. Eines aber möge den Verletzten und Hinterbliebenen erspart bleiben: Dass der Duisburger Oberbürgermeister nun "Verantwortung" übernimmt, indem er sich aus dem Amt verabschiedet. Nix da! Er und seine Verwaltungsspitzen haben erst einmal genug in ihrer Stadt aufzuräumen - und ihren Bürgern endlich Rede und Antwort zu stehen.

Quelle: Weser-Kurier

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