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Frankfurter Neue Presse: zum Bahn-Unglück in Sachsen-Anhalt

Archivmeldung vom 01.02.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.02.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Vorwurf, dass sich die Deutsche Bahn AG zu Tode spare, ist in den vergangenen Jahren häufig lautstark geäußert worden - von oppositionellen Verkehrspolitikern, Verbraucherverbänden und den Verbrauchern selbst. Nach dem verheerenden Zugunglück in Sachsen-Anhalt wird sich so mancher die Frage stellen, ob das Staatsunternehmen damit auch seine Kunden zu Tode spart.

Zwar könnte der Zusammenstoß der beiden Züge tatsächlich auf menschliches Versagen zurückzuführen sein. Gerade weil menschliches Versagen aber stets möglich ist, gibt es technische Hilfsmittel, die die Folgen solcher Fehler begrenzen: wie eben das System der "Punktförmigen Zugbeeinflussung" (PZB), das eine Notbremsung auslöst, wenn ein Zug ein rotes Haltesignal überfährt.

Dass diese PZB 70 Jahre nach ihrer Erfindung auf der Unglücksstrecke noch nicht installiert ist, kommt einer groben Fahrlässigkeit gleich. Daran ändert auch nichts, dass dieser Sicherheitsmangel laut Bundesverkehrsministerium und Bahn AG im Einklang mit der Eisenbahn-Betriebsordnung steht. Das belegt nur, dass die entsprechende Richtlinie nichts taugt: Man muss kein Technik-Experte sein, um die Katastrophe voraussehen zu können, die ein Zusammenstoß eines Personenzuges mit einem in der Regel mehrere Hundert Tonnen schweren Güterzug zu Folge hat - selbst wenn dieser "nur" mit einer Geschwindigkeit von 99 km/h unterwegs ist.

Die Frage ist, warum hat diese technische Absicherung auf der Strecke zwischen Magdeburg und Halberstadt gefehlt? Warum vergammeln überhaupt viele Trassen in ganz Deutschland? Von diesen Fragen, so scheint es, wollen die Bahn und das Verkehrsministerium ablenken. Und das aus gutem Grund: Sowohl das Management des Staatsunternehmens als auch dessen Eigentümer tragen Schuld an der Vernachlässigung des Schienennetzes in der Fläche.

Rund vier Milliarden Euro Steuergelder erhält die Bahn AG jedes Jahr für Investitionen in das Schienennetz. Was sie damit macht, ist immer noch mehr oder weniger ihr selbst überlassen. Und natürlich lenkt der Konzern das Geld vor allem dort hin, wo er am stärksten davon profitiert: Auf Schnellstrecken, wo die Ticketpreise hoch sind und auf Regionalstrecken, die vor allem von ihren eigenen Zügen befahren werden - anders als auf der Unglücksstrecke, wo das Staatsunternehmen selbst nur eine sehr geringe Zahl von Güterzügen fährt, der Großteils der Verkehre in privater Hand liegt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Bahn AG nach wie vor einen unverhältnismäßig großen Teil der ohnehin viel zu geringen Subventionen in Prestige-Bauten steckt. Auch, weil sie damit Regionalfürsten entgegenkommen will, die irgendwann mit darüber entscheiden, ob neu ausgeschrieben Nahverkehrsstrecken an das Staatsunternehmen gehen oder private Konkurrenz. Und statt die inzwischen sprudelnden Gewinne aus der Netzsparte komplett in das Netz zu reinvestieren, subventioniert das Bahn-Management damit auch noch andere Konzernbereiche - auch für Übernahmen im Ausland.

Öffentlich mag der Bund die Bahn dafür rügen - schließlich will er nach eigener Darstellung möglichst viel Verkehr auf der Schiene. Aber tatsächlich unterstützt der Eigentümer die Strategie der Bahn. Warum? Weil der Staatskoloss möglichst viel Gewinn abwerfen und damit den Haushalt entlasten soll. Deshalb sollte die Bahn auch an die Börse, und so verlangt der Bund neuerdings auch eine 500-Millionen-Euro-Dividende vom Konzern.

Mit diesem Dilemma zwischen öffentlicher Daseinsvorsorge und Gewinnmaximierung muss endlich Schluss sein. Deutschland braucht eine neue Bahn-Politik. Wenn das System Bahn für alle da sein soll, muss der Bund das Netz aus dem Bahnkonzern herauslösen, in eine neutrale staatliche Gesellschaft ohne Renditedruck überführen - und entsprechend dafür zahlen.

Quelle: Frankfurter Neue Presse

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