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Die Turbulenzen halten an

Archivmeldung vom 21.03.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.03.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Ob die gerade abgelaufene Woche als die geschichtsträchtigste in Sachen Coronakrisen-Bekämpfung in die Kapitalmarktjahrbücher eingehen wird oder ob dies nur der Anfang einer Kette von Paukenschlägen internationaler Zentralbanken war, lässt sich noch gar nicht abschätzen. Schließlich weiß keiner, wie es mit der Corona-Pandemie weitergeht.

Fakt ist, dass Notenbanken rund um den Globus Zinsen gesenkt und Maßnahmen des Quantitative Easing (wieder) ergriffen oder ausgeweitet haben. So auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Pandemic Emergency Purchase Programme - kurz PEPP - in Höhe von 750 Mrd. Euro, das bis Ende dieses Jahres laufen soll. Und EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat schon klargemacht, dass sie "absolut dazu bereit ist, den Umfang der Asset-Kaufprogramme zu erhöhen und die Zusammensetzung der Programme so weit wie nötig und für so lange wie notwendig anzupassen". Da kann also durchaus noch mehr kommen.

Und so hält Christoph Rieger, der bei der Commerzbank das Zins- und Credit-Research leitet, in seiner jüngsten Analyse der Auswirkungen dieses Paukenschlages fest, dass Marktteilnehmer in diesem Stadium auch weit drastischere Szenarien in Betracht ziehen sollten. "Es kann kaum bezweifelt werden, dass die Regierungen die Wirtschaft um jeden Preis stützen werden - koste es, was es wolle. Den Zentralbanken bleibt dann nichts anderes übrig, als die massiven Staatsausgaben durch steigende Anleihekäufe zu monetarisieren", hält er fest. Am Ende werde die Aktivseite der Zentralbankbilanz aus riesigen Mengen an niedrig verzinslichen Staatsschulden bestehen, was Zinserhöhungen für die kommenden Jahrzehnte verhindere.

Die inländische Verschuldung könne selbst auf sehr hohem Niveau tragbar bleiben, wie Japan gezeigt habe. "Der Schuldenberg und die groß angelegte Verstaatlichung der Wirtschaft würden jedoch langfristig die Produktivität reduzieren, was zu einer säkularen Stagnation oder irgendwann zu einer Stagflation führen könnte", skizziert er das schlechte Szenario. Das gute Szenario wäre eine rasche Eindämmung der Virusverbreitung, die wirtschaftlichen Folgen wären dann nicht so dramatisch, und die Märkte würden zur Erholung ansetzen. Mal ehrlich: Für diese Perspektive braucht man aktuell schon eine gehörige Portion Optimismus.

Ohne Frage werden die Programme der Zentralbanken und damit auch das PEPP der EZB immer wieder für Phasen der Beruhigung an den Märkten sorgen. Renditeanstiege werden abgebremst und bestenfalls umgekehrt, Spreads engen sich ein, Aktienkurse legen zu, Rohstoff- und Edelmetallpreise steigen wieder. Die Stimmung an den Märkten hellt sich insgesamt wieder auf. Aber vermutlich wird das Pendel auch wieder zurückschwingen. Neuinfektionszahlen werden steigen, mehr Todesopfer zu beklagen sein, mehr und mehr Betriebe in Kurzarbeit gehen oder vorübergehende Schließungen der Produktionsstätten vornehmen. Umsatzeinbrüche und Gewinnwarnungen sind die Folge. Insolvenzen werden mehr. Um daraus die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen auch nur in der Tendenz ableiten zu können, muss man nicht gerade Volkswirtschaft studiert haben.

Die weitere Entwicklung an den Märkten für Risiko- und Sicherheitsassets ist von zwei Faktoren abhängig. Erstens: der weiteren Verbreitung des Coronavirus auf globaler Ebene und der Geschwindigkeit derselben. Zweitens: Wie stark reagieren Anleger auf eine solche Entwicklung im Sinne von Kassenhaltung, d. h. wie kräftig wird in nächster Zeit alles verkauft, was nicht niet- und nagelfest ist? Und dann erklärt sich eben auch, warum Bundrenditen in solchen Phasen der Verunsicherung steigen: Weil sich liquide "Bunds" schneller und leichter versilbern lassen als illiquidere Corporate Bonds. Solche Zwangsverkäufe müssen dann auch Assetmanager vornehmen, wenn sie kundenseitig dazu gezwungen werden, weil Anleger eben die Kassenhaltung hochfahren.

Auf solche Szenarien reagieren dann wiederum die Notenbanken. Und damit ist eben auch nicht klar, welche Paukenschläge noch kommen: Ausweitung der Programme, nächste Stufen von PEPP, Ausweitung der für Käufe in Frage kommenden Assets. Ist die geschichtsträchtigste Woche erst erreicht, wenn Lagarde Helikoptergeld 5.0 ankündigt? Nein, die geschichtsträchtigste Kapitalmarktwoche wird diejenige sein, in der Corona besiegt wurde und die Weltgesundheitsorganisation die Pandemie für beendet erklärt. Das wird aber noch dauern, und damit werden die Turbulenzen an den Märkten weitergehen.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Kai Johannsen


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