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WAZ: Das Ich im Internet

Archivmeldung vom 13.04.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.04.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Über 50 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Internet-Anschluss. So viele! Hatten Sie das auf dem Schirm? 50 Millionen Informavores rex (Informationsfresser) - oder 50 Millionen Fischchen, die im Netz zappeln. Je nach Sichtweise. Nachrichten aus dem digitalen Zeitalter: Ein Regierungssprecher (Steffen Seibert) verbreitet wichtige Nachrichten nur noch über Twitter und lässt damit Hauptstadtjournalisten, die noch auf Faxe warten, alt aussehen.

Ein späterer Minister (zu Guttenberg) fügte einst seine Doktorarbeit aus Textbausteinen zusammen und offenbart so ein zeitgemäßes Verständnis von geistigem Eigentum. Ein US-Autor (Dave Eggers) verabschiedet sich aus dem Netz, weil er "sonst nicht mehr zum Schreiben käme" - und dieses Bekenntnis eines Offliners ist eine Meldung wert! Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Wer bin ich, wenn ich online bin? Dies fragen intellektuelle Widerstandskämpfer, die Multitasking und stetes Dabeiseinmüssen nicht nur anstrengend finden, sondern darin "die Staublunge des digitalen Zeitalters" sehen. Sie glauben, die Nutzung des Netzes verändere unsere Gehirnstrukturen hin zum Schlechteren, Simpleren. Dabei berufen sie sich auf Hirnforscher, die die Wichtigkeit des (Bücher-)Lesens für das Gehirn belegen und warnen, die Häppchenlektüre im Netz lasse Schaltkreise verkümmern. Verfechter der "Schwarmintelligenz" hingegen schwärmen von Lexika wie Wikipedia, die von vielen geschrieben werden. Sie sehen im Internet ein Riesen-Hirn, das täglich neue Schaltkreise entwickelt. Sie glauben, die Revolutionen im Iran und in Ägypten hätten ihren Keim in sozialen Netzwerken. Kurz: Wir erleben eine Kulturrevolution. Davor warnte schon Platon, googeln Sie das mal! "Diese Kunst wird Vergessenheit schaffen in den Seelen derer, die sie erlernen", schrieb er. Aus echten Weisen würden "Dünkelweisen". Ach nein, entschuldigen Sie, das hatte ich wohl falsch abgespeichert. Es ging gar nicht ums Internet. Es ging dem großen, gewandten Redner Platon: um die bedrohliche Einführung der Schrift. Fazit: Die Kulturrevolution durch das Internet lässt sich nicht mehr aufhalten. Dem Einzelnen kann Überforderung durchs stete Dabeiseinmüssen drohen - und ein fataler Hang zur Häppchenkost. Der Gemeinschaft dient die leichte, freie Verfügbarkeit von Informationen sowie die revolutionäre Möglichkeit der Vernetzung.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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