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Aachener Nachrichten: Nur Gut gegen Böse?

Archivmeldung vom 21.02.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.02.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nein, das ist kein Boxkampf Vitali Klitschko gegen Viktor Janukowitsch. Es ist kein Fight Gut gegen Böse, bei dem wir im Fernsehsessel sitzend tapfer unser Fan-Fähnlein schwenken können. Je länger die Auseinandersetzungen in der Ukraine dauern, je brutaler und blutiger sie werden, desto schwieriger fällt es, ihnen ein einfaches Freund-Feind-Schema zu unterlegen. Schnelle Gewissheiten werden von Fragen verdrängt. Warum die Eskalation der Gewalt? Wer hat den eben erst geschlossenen Waffenstillstand nach wenigen Stunden gebrochen? Ist dafür alleine Janukowitsch verantwortlich?

Natürlich: Der gewählte Präsident herrscht wie ein Autokrat. Er stützt sich auf korrupte Eliten und einen brutalen Repressionsapparat. Zuzutrauen ist dem kühl kalkulierenden Machtmenschen alles. Aber die entscheidende Frage ist: Liegt es in Janukowitschs Interesse, dass sich angesichts der Sanktionsdrohungen der EU die Lage in der Ukraine weiter verschärft? Oder haben Teile der Opposition die neuen Konfrontationen gesucht? Wer ist überhaupt die Opposition? In Deutschland schauen alle auf Klitschko. Der ehemalige Boxweltmeister wird zwar von der Kanzlerin empfangen, von der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert und ist in fast jedem TV-Bericht vom Maidan zu sehen. Doch seine Position wird dadurch überhöht. In der Ukraine ist er keineswegs eine Symbolfigur. Seine Akzeptanz in der Protestbewegung ist begrenzt. Getragen wird der Protest in der Ukraine von vielen Gesichtern: Da gibt es die Oppositionsparteien. Da gibt es linke Gruppen. Da gibt es Bürger, die der gesamten politischen Elite des Landes misstrauen. Viele der Gesichter sind sympathisch. Doch es gibt auch hässliche Fratzen: Nationalisten, Antisemiten, gewaltaffine Hooligans. Wie stark sind diese Gruppen inzwischen? Welche Ziele verfolgen sie langfristig? Ist es ihnen gelungen, größere Teile der bisher friedlichen Demonstranten auf ihre Seite zu ziehen? Sich davon ein Bild zu machen, fällt schwer. Auch, weil sich Information und Propaganda vermengen. Entsetzt ist nur festzustellen: Die Gewaltspirale dreht sich immer schneller. Nun verliert ein Aufstand nicht zwingend an moralischer Legitimation, wenn er gewaltsame Züge annimmt. Es gibt das Recht auf Notwehr. Gerade gegenüber einer zügellosen Staatsmacht. Doch selbst die rechtmäßige Verteidigung birgt immer eine Gefahr: Gewalt produziert Gegengewalt und zwingt die Gewaltanwender oft zu ständiger Gewaltsteigerung. Um zu verhindern, dass die Ukraine vollends in einem Bürgerkrieg versinkt, muss deshalb nicht nur die internationale Staatengemeinschaft weiter versuchen, mäßigend auf Janukowitsch einzuwirken. Auch die Demonstranten sind in der Pflicht, ihre gewaltsuchenden Teile zu isolieren und sich auf zivile Widerstandsformen zu verständigen. Wer vor der größeren Aufgabe steht? Schwierige Frage.

Quelle: Aachener Nachrichten (ots)

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