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Berliner Morgenpost: Der unnötige Rücktritt einer streitbaren Frau

Archivmeldung vom 25.02.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Schade. Der Rücktritt der obersten deutschen Protestantin ist ein hoch nobler Schritt, der für Verantwortungsgefühl und Konsequenz spricht. Aber womöglich erlebt das Land hier auch ein Musterbeispiel an Überkonsequenz. Sicher, mit 1,5 Promille über eine rote Ampel zu fahren, das ist keine Kleinigkeit.

Aber mal ehrlich: Wie viele Autofahrer mögen mit einer Mischung aus Schrecken und Erleichterung an die ein oder andere eigene Promillefahrt gedacht haben, die unentdeckt blieb? Margot Käßmann wird nach geltendem Recht bestraft, sie wird den Führerschein abgeben, Strafe zahlen und womöglich sozialen Dienst leisten müssen, was nicht frei von Alltagsironie wäre. Schuld und Sühne, das Prinzip gilt auch im Verkehrsrecht. Wie alle anderen Bürger muss selbst eine Bischöfin die Möglichkeit haben, einen Fehler wiedergutzumachen, auch wenn sie vielleicht nicht im Sinne ihrer eigenen Predigten gehandelt hat. Das Scheitern an hohen Maßstäben ist die ewige Geschichte des Christentums, und es macht eine Kirche nicht unglaubwürdiger, wenn auch ihre hohen Repräsentanten es an Perfektion mangeln lassen. Fehlerfrei ist nur Gott im Himmel. Wichtig ist: Jeder Mensch muss die Chance zur Rehabilitation haben. Ein einzelner Fehltritt darf nicht ein ganzes Leben zerstören. Wenn in Deutschland alle zurücktreten müssten, die täglich höchste moralische Latten auflegen, dann blieben nicht nur Parlamente und Funktionärssessel oftmals leer, sondern auch die Kommentarspalten der Zeitungen - selbst diese hier. Der Rücktritt der Bischöfin wirft eine zentrale Frage auf: Welche Fehler will eine Gesellschaft bei ihren Anführern tolerieren? Reichen schon Verkehrsdelikte? Wann wird die hysterische Öffentlichkeit den ersten Falschparker zum Rücktritt zwingen? In den USA, teils auch in Großbritannien, lässt sich beobachten, wie brutal selbst private Verfehlungen öffentlich verfolgt werden. Eine - durchaus private - Ehekrise, das getwitterte Gerücht über eine mögliche Verfehlung genügen, um eine unangemessene Hatz ohnegleichen zu starten. Das akribische Durchleuchten von Führungspersönlichkeiten hat weniger einen reinigenden als viel eher einen kontraproduktiven Effekt: Jeder qualifizierte und/oder nonkonforme Charakter wird sehr genau überlegen, ob er sich in ein öffentliches Amt begibt. Die Diktatur des mittelmäßigen Funktionärs wird sich fortsetzen. Vergeben und Verzeihen, nicht nur anderen, auch sich selbst, gehören zu den großen und ewigen Botschaften des Christentums. Es hätte gute Gründe gegeben, dieser Kirchenfrau die Chance zur Buße zu geben. Margot Käßmann war, ist und bleibt eine bemerkenswerte Persönlichkeit: streitbar, manchmal querköpfig, bisweilen abwegig, aber immer geradeaus. Dass diese Frau nach öffentlicher Scheidung und halb öffentlich bekämpftem Krebs nun ausgerechnet durch eine Alkoholfahrt erledigt wird, verdeutlicht verrückte Maßstäbe in diesem Land. Für Mehrwertsteuerlügen oder mit Spenden erkaufte Hoteliers-Boni tritt keiner zurück - aber für eine rote Ampel. Jesus würde sich wundern.

Quelle: Berliner Morgenpost

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