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Berliner Morgenpost: Eine ungeliebte Reform, die besser ist als ihr Ruf

Archivmeldung vom 02.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Bei Erfolgen herrscht an Vätern normalerweise kein Mangel. In der Regel möchte dann jeder selbst die bahnbrechende Idee gehabt haben und auch den Mut, diese dem Praxistest zu unterziehen.

Doch im Falle des "Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" - den meisten bekannt unter dem Kürzel Hartz IV - ist alles anders. Obwohl von Ökonomen fast einhellig als entscheidender Schritt zur Stärkung des Arbeitsmarktes gefeiert, finden sich aus Politik und Gesellschaft merkwürdigerweise auch zum fünften Geburtstag der Reform kaum Gratulanten. Im Gegenteil: Hartz IV steht in der Öffentlichkeit noch immer meist nur als Chiffre für sozialen Abstieg und Massenarmut, für Löhne unter dem Existenzminimum und soziale Ungerechtigkeit. Und die Politik hat schon zu Zeiten der großen Koalition, als die von weiten Teilen der Bevölkerung als schmerzhaft empfundene Reform ihre ersten Früchte zeigte, nie wirklich Flagge gezeigt. Die Union nicht, weil Hartz IV das Werk Gerhard Schröders war. Die SPD nicht, weil sie mit der Agenda 2010 ihr politisches Herz verkauft zu haben glaubte und die Bindung zu vielen ihrer traditionellen Milieus verloren hat. Statt mutig zu einer Entscheidung zu stehen, die entscheidend dazu beigetragen hat, die Arbeitslosenzahl von über fünf auf zeitweise unter drei Millionen zu verringern, wurde taktiert und lamentiert. All dies hat das Bild befördert, dass Hartz IV in erster Linie Armut per Gesetz geschaffen habe. Dabei stehen Millionen früherer Sozialhilfeempfänger heute besser da als vor der Reform. Trotz Hartz IV gibt es kein anderes Land, dass sich ein so großzügiges Fürsorge- und Unterstützungssystem leistet wie Deutschland. Vor allem aber haben Millionen von Menschen wieder einen Job gefunden - den wirksamsten Schutz gegen Armut. Auch wenn viele davon nur zu Niedriglöhnen angestellt werden. Aber was wäre die Alternative? Jeder zweite Hartz-IV-Empfänger hat keinen Beruf gelernt - ihm bliebe sonst oft nur die dauerhafte Arbeitslosigkeit oder das Ausweichen in die Schwarzarbeit. Im Bewusstsein der Bevölkerung kommt all dies aber kaum zur Geltung. Hier ist nur die Forderung "Jeder Job ist zumutbar" haften geblieben und sorgt auch bei Menschen, die selbst noch gar nicht in Berührung gekommen sind mit Hartz IV, für diffuse Abstiegsängste. Genau hier aber liegt der Kern für die verbreitete Ablehnung dieser Reform. Als die Politik vor fünf Jahren die Agenda 2010 in Kraft setzte, war dies nichts anderes als das endgültige Eingeständnis, dass das alte Sozialstaatsmodell der Bundesrepublik, das zur Not bis zur Rente umfassend alimentierte, nicht mehr finanzierbar war. Seither gilt: Jeder muss zuerst für sich selbst sorgen, erst dann springt der Staat ein. Diese Forderung mag unbequem sein und manchmal auch Furcht einflößend. Aber sie ist auch die Grundlage dafür, dass den wirklich Bedürftigen weiterhin umfassend geholfen werden kann. Und dies auch in wirtschaftlichen schweren Zeiten, wie sie uns zweifellos in den kommenden Monaten noch bevorstehen.

Quelle: Berliner Morgenpost

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