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Börsen-Zeitung: Der Krise nächstes Kapitel

Archivmeldung vom 27.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nach all den Schrecken hätte es ein wenigstens halbwegs entspanntes Wochenende werden sollen. Doch kurz bevor sich die entnervten Marktteilnehmer zurückziehen konnten, wurden die Hoffnungen, dass sich die Lage mit dem US-Rettungsplan für die Finanzindustrie zumindest vorübergehend beruhigen würde, brutal zerschlagen und in der Finanzkrise das nächste Kapitel aufgeschlagen.

Dass sich nach der grundsätzlichen Einigung über den Rettungsplan durch das politische Tauziehen um die Einzelheiten wieder Verunsicherung breit machte, war anscheinend noch nicht schlimm genug. Es musste auch noch mit Washington Mutual die nächste große Pleite folgen. Aber auch das reichte nicht. Mit Fortis geriet nun erstmals auch eine kontinentaleuropäische Finanzinstitution von Rang in Bedrängnis, ein Vorgang, der bis in den Fernen Osten Wellen schlug, weil der große chinesische Versicherer Ping An eine erhebliche Beteiligung an dem belgisch-niederländischen Konzern hält.

Leider haben diejenigen Recht behalten, die in dem Rettungsplan nur eine vorübergehende Atempause für die Finanzbranche und damit auch für die Aktienmärkte gesehen haben. Tatsächlich wird die Krise die Marktakteure noch eine Weile in Atem halten, rückt die Aussicht auf eine Erholung in weitere Ferne. Zumal auch die konjunkturellen Nachrichten alles andere als ermutigend sind. Die Indikatoren trüben sich zusehends ein. Dabei zeigen gerade die Zahlen vom US-Häusermarkt eine beunruhigende Fortsetzung des Abschwungs an. Der Absatz geht immer noch zurück. Die Preise für wiederverkaufte Eigenheime erreichten zuletzt einen im Vergleich zum Vorjahr um fast 10% niedrigeren Verkaufspreis. Interessant wird nun sein, wie sich die Entwicklung am kommenden Freitag im US-Arbeitsmarktbericht für den Monat September niederschlagen wird.

Die Finanzkrise jedenfalls wird die Entwicklung in den USA nicht besser machen. JPMorgan spricht von einem zusätzlichen negativen Schock für die US-Wirtschaft und hat die Prognosen für das BIP gekürzt. Für das dritte Quartal erwartet die Bank nun ein Nullwachstum statt bislang 0,5%. Außerdem rechnet es für das vierte Quartal 2008 und die ersten drei Monate des nächsten Turnus nun jeweils mit einer Schrumpfung um 0,5%. Für das laufende und das nächste Jahr verbleibt laut der neuen Prognose von JPMorgan jeweils nur noch ein Wachstum von 1,6% und 0,7%.

Nicht nur Washington Mutual und Fortis zeigen, wie schlimm die Lage ist. Auch die Anstrengungen, um nicht zu sagen: Verzweiflungstaten, mit denen sich Regierungen, Zentralbanken und Aufsichtsbehörden gegen das Unheil stemmen, sprechen eine klare Sprache. Zu allem Unglück kommt noch hinzu, dass die Machtlosigkeit gegen die Krise deutlich zu Tage tritt. Das gilt zum Beispiel für die Leerverkäufe. Mit den vorübergehenden Verboten bzw. Einschränkungen von Leerverkäufen sollte eigentlich der Druck von den Finanzaktien genommen werden, um eine Verschlimmerung der Krise zu verhindern. Die Restriktionen können nun als gescheitert betrachtet werden und werden sich möglicherweise als Schuss nach hinten erweisen.

Auch in Belgien und den Niederlanden wurden Restriktionen verhängt. Ungedeckte Leerverkäufe in Finanzwerten sind untersagt. Außerdem müssen Netto-Short-Positionen gemeldet werden, die die Schwelle von 0,25% des Grundkapitals einer Gesellschaft überschreiten. Dennoch ist die Aktie der Fortis vom Markt mühelos nach unten geprügelt worden. Damit haben die Kritiker der Leerverkaufs-Einschränkungen Recht behalten. Leerverkäufe sind eben nicht die Verursacher der Krise, und ihr Verbot kann das Unabwendbare allenfalls verschieben, aber eben nicht verhindern.

Aber noch aus einem ganz anderen Grund sind die Verbote von Leerverkäufen, die in den Industrienationen verhängt worden sind, ein Schwächezeichen. Wie ernst muss die Lage der US-Finanzindustrie sein, wenn die amerikanische Börsenaufsicht SEC die Dauer der Leerverkaufs-Restriktion auf die maximal zulässigen 30 Tage ausdehnt, wenn gleichzeitig Russland das Verbot wieder aufhebt und China Leerverkäufe sogar zum ersten Mal überhaupt einführt?

Quelle: Börsen-Zeitung (von Christopher Kalbhenn)

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