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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Volksentscheide

Archivmeldung vom 24.07.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.07.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nach den erfolgreichen Volksentscheiden in Bayern (Einführung eines generellen Rauchverbots) und Hamburg (Ablehnung einer sechsjährigen Primarschule) hat die direkte Demokratie mal wieder Hochkonjunktur. Der Wunsch der Bürger nach mehr unmittelbarer Teilhabe ist vor allem ein Zeichen für den Verdruss über die Politik im Allgemeinen und die Parteien im Besonderen. Dieser Ärger hat seine Berechtigung, wo das politische Personal versagt.

Das passiert oft, aber nicht so oft wie vermutet. Wer nun jedoch Volksbegehren und Volksentscheide als Allheilmittel gegen Politik- und Politikerverdrossenheit propagiert, der irrt. Die direkte Demokratie ist der repräsentativen Demokratie nicht per se überlegen. Bürgerentscheidungen sind weder zwangsläufig besser legitimiert, noch müssen sie sachgerechter sein. Ob stetig sinkender Wahlbeteiligung rechnet mancher gern vor, dass Parlamentsmehrheiten gemessen an den Wahlberechtigten oft nur starke Minderheiten sind. Das muss bei Volksentscheiden nicht anders sein. In Hamburg stimmten 491 600 der 1,2 Millionen Wahlberechtigten ab. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 39 Prozent. Die Initiative »Wir wollen lernen« bekam 276 304 Stimmen - mit 58 Prozent eine klare Mehrheit, aber zugleich auch nur eine Zustimmung von 23 Prozent der Wahlberechtigten. Hinzu kommt, dass Volksentscheide in erster Linie eine Frage der Organisation sind. Nur wer für sein Vorhaben mobilisieren kann, hat Erfolgsaussichten. Mobilisierung wiederum erfordert Kreativität, Ausdauer und Geld. Wer über all das verfügt, wird die direkte Demokratie effektiv nutzen können. Am Ende setzen sich hochmotivierte Gruppen kraftvoll für ihr Partikularinteresse ein, ohne dem gesamtgesellschaftlichen Kontext Rechnung tragen zu müssen, geschweige denn zu wollen. Tendenziell scheinen dafür destruktive Vorhaben, die wie in Hamburg politische Beschlüsse zurückdrehen, besonders geeignet. Es ist immer leicht, gegen etwas zu sein. Erst recht, wenn man es damit »den Politikern da oben« mal so richtig zeigen kann. Zum Entscheid aufgerufen werden dürften in erster Linie Fragen, die sich auf ein Ja oder Nein reduzieren lassen. Dabei sind die meisten politischen Prozesse zu komplex für einfache Antworten. Daraus resultieren ja viele der Probleme, die die Parteien haben. Zweifelsohne fehlt es ihnen an Bürgerbeteiligung. Ortsvorsitzende und Kreisgeschäftsführer können aber auch ein Lied davon singen, wie schwer es ist, Menschen zur Mitarbeit zu bewegen. Wahr ist, dass die Parteien die politische Meinungs- und Willensbildung nicht nur mitbestimmen, wie es das Grundgesetz vorsieht, sondern dominieren. Doch wahr ist auch, dass eine Gesellschaft, die sich zu oft als Zuschauerdemokratie versteht, dieser Entwicklung Vorschub geleistet hat. Das zu ändern, sind alle aufgerufen, die an einem lebendigen Gemeinwesen interessiert sind. Die Mühe ist es allemal wert - mit Volksentscheiden, aber auch ohne.

Quelle: Westfalen-Blatt

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