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Südwest Presse: Kommentar zu Griechenland

Archivmeldung vom 29.04.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.04.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Betuchte Griechen, so ist in der Finanzszene zu hören, reißen sich derzeit in London um Luxusobjekte in den allerbesten Wohngegenden. Gern in Millionenhöhe - Millionen Pfund natürlich. Sie bringen ihr Geld vor den Banken ihres eigenen Staates in Sicherheit. Nur ein Auswuchs des internationalen Spekulantentums, das zur griechischen Tragödie beiträgt und sie verschärft.

Bedient wird die Gier von hochmögenden "Ratingagenturen". Die sind rein ökonomischen Kriterien verpflichtet und vermögen mit diesem Maßstab einfach den Daumen über ein Land mit elf Millionen Einwohnern zu senken. Nach der US-Immobilien- und Bankenkrise besteht abermals aller Anlass zur Suche nach Instrumenten, die der internationalen Finanzspekulation straffere Zügel anlegen. Dass Griechenland hilfsbedürftig am Boden liegt, haben allerdings nicht die Geier verursacht, die jetzt über dem vermeintlichen Opfer kreisen. Es gibt vielmehr viele Gründe für die Annahme, dass sich das Land durch systematische Hochstapelei zuerst den Beitritt zum Euroclub erschlichen und seitdem notorisch über seine Verhältnisse gelebt hat. Und dass dieses Verhalten durch Nachlässigkeit und Blindheit von den Euro-Wächtern zu lange ignoriert worden ist. Schon als Griechenland 2001 dem Euroclub beitreten durfte, hat es nicht an Warnungen gefehlt. Sie wurden abgetan, weil der Ausschluss des Landes von der Währungsgemeinschaft politisch nicht korrekt gewesen wäre und weil niemand sich vorstellen konnte, dass ein Staat, dessen Wirtschaftsleistung etwa zehn Prozent der deutschen beträgt, der Einheitswährung irgendwie gefährlich werden könnte. Sachlich begründete Skepsis bekam zudem den Beifall der Anti-Europäer, die mit engen nationalen Motiven jede Ausweitung der EU ablehnen - auch deshalb wurde sie lieber beiseitegeschoben. Doch wozu leistet sich Europa eigentlich eine Kommission in Brüssel, formal die Hüterin der EU-Verträge, wenn dort solche Fehlentwicklungen verschlafen werden? Tatsächlich hat Eurostat, das EU-Statistikamt, seit 2002 angemahnt, dass Griechenland fragwürdige oder offensichtlich schöngerechnete Zahlen nach Brüssel liefert, um seine Defizite zu verschleiern. So gaben Homers Nachfahren schlitzohrig an, sie würden Rüstungskäufe erst bei Lieferung verbuchen, erklärten den Lieferzeitpunkt mit Blick auf den ach so gefährlichen Nachbarn Türkei aber zum Staatsgeheimnis. Politische Konsequenz aller Warnungen: Fehlanzeige. Erst als das Kind im Brunnen lag, schlugen Papa Sarkozy, Mutti Merkel und die ganze EU-Sippschaft Alarm. Nun bleibt, seien wir ehrlich, nichts anderes, als den Griechen unter die Arme zu greifen. Weil die EU Mithaftung trägt für das Desaster - siehe oben. Weil sie den Namen Union nicht verdiente, ließe sie ein in Not geratenes Mitglied kühl pleite gehen. Und, das vor allem zählt, weil eine griechische Pleite rasch eine portugiesische, irische, spanische nach sich ziehen könnte. Dass man den Griechen schmerzhafte Auflagen macht, dass sie Vergünstigungen aufgeben müssen, über die Rest-Europa sowieso staunt, steht auf einem anderen Blatt. Allein jedoch kommen die Helenen nicht aus der Patsche. Faktisch ist der Fall Griechenland deshalb eine Art Einstieg in den Länderfinanzausgleich auf EU-Ebene. Im Lissabon-Vertrag ist das nicht vorgesehen und die Auswirkungen sind kaum absehbar. Für national gesonnene Euro-Skeptiker ist es Wasser auf die Mühlen. Für die Ost-Europäer wird die Beitrittsschwelle zur Währungsunion höher. Wer es gut meint mit der EU, achtet deshalb künftig stärker darauf, dass Defizitgrenzen und andere Stabilitätsregeln nicht nur auf dem Papier stehen. Sondern beherzigt werden.

Quelle: Südwest Presse

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