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Strohfeuer: Zur türkischen Lira

Archivmeldung vom 28.06.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.06.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Eines kann man Recep Tayyip Erdogan und seiner Clique wirtschaftspolitischer Hasardeure an den Schaltstellen des türkischen Staates nicht vorwerfen: dass es ihnen an Einfallsreichtum mangelt. Den neuesten Clou hat die Bankenaufsicht orchestriert. Türkische Banken müssen von nun an ihre Kreditvergabe an Unternehmen einschränken, wenn diese über einen gewissen Bestand an Fremdwährungen verfügen. Das hat der tief gefallenen Lira Auftrieb gegeben. Doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich wieder einmal um ein Strohfeuer handelt.

Der Grund ist, dass sich an der eigentlichen Ursache der chronischen Währungsschwäche in der Türkei nichts ändert. Es ist die von oben verordnete Tatenlosigkeit der Notenbank. Die Erdogan treu ergebenen Währungshüter halten seit mehr als einem halben Jahr stoisch am Leitzins von 14 % fest, obwohl die Inflation in der Zwischenzeit auf Werte jenseits von 70 % davongaloppiert ist. Niedrigzinsdiktat, unerschütterliche Inflationstoleranz und eine kalkulierte Abwertung der Lira mit dem Ziel, türkischen Exporteuren die Geschäfte auf den Weltmärkten zu erleichtern, sind die unverkennbaren Markenzeichen von Erdogans Wirtschaftspolitik geworden.

Wesentliches Element dieser Strategie ist der wiederkehrende Griff in die währungspolitische Trickkiste. Seit Jahren fester Bestandteil des Repertoires sind verdeckte Interventionen staatsnaher Banken am Devisenmarkt. Doch das genügt längst nicht mehr, um die Lira vor dem Absturz zu bewahren, denn die Fremdwährungsreserven für solche Operationen sind endlich.

Also umgarnen Regierung und Regulatoren Bürger und Unternehmen, um ihnen die heimische Währung schmackhaft zu machen. Für Aufsehen sorgte im Dezember ein Novum: Sparer können sich auf Staatskosten gegen Wechselkursrisiken absichern, indem sie ihre Einlagen auf spezielle Lira-Konten umschichten. Nun steigt auch der Druck auf Unternehmen, von Dollar und Euro auf Lira umzusteigen. Im Fachjargon ist von "Liraisierung" die Rede.

Alle paar Monate kommen die politischen Entscheidungsträger mit einem neuen Kniff um die Ecke, statt das Naheliegende zu tun und den Leitzins zu erhöhen. Damit sedieren sie die aufgeschreckten Märkte vorübergehend und demonstrieren Bürgern und Unternehmern Handlungsfähigkeit. Mittelfristig erodiert der Wert der Lira dennoch weiter. Nichts deutet darauf hin, dass sich an diesem Muster bis zu einem möglichen Machtwechsel bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in einem Jahr Wesentliches ändert.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Stefan Reccius

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