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Börsen-Zeitung: Zeitenwende am Nil

Archivmeldung vom 05.02.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.02.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

In Kairo haben sich auf dem Tahrir-Platz am Freitag mehr als eine Million Demonstranten versammelt, auch in fast allen anderen großen Städten des Landes wie Alexandria, Mansoura und Suez hat es Massendemonstrationen gegeben. Aber nicht nur Ägypten befindet sich in Aufruhr: Proteste wurden aus dem Sudan, Yemen und Jordanien gemeldet, und via Internet wird zu Protesten in Algerien, Libyen und Bahrain zumindest bereits aufgerufen. Damit ist bald vielleicht auch ein Golfstaat betroffen und mit Libyen ein wichtiger Ölexporteur.

Auch wenn sich die Reaktionen an den Märkten am Freitag in engen Grenzen hielten, weil es den Tag über in Kairo deutlich weniger Gewalt gegeben hat als am Vortag: Grundsätzlich reagieren Aktienmärkte auf derartige Veränderungen zunächst mit Verlusten, während der Ölpreis in die Höhe getrieben wird. Am Donnerstag kletterte der Preis der führenden Nordsee-Ölsorte Brent auf ein 28-Monats-Hoch jenseits von 103 Dollar je Barrel.

Zwar wurden vorübergehende Verluste an der Wall Street und an den europäischen Märkten teilweise auch mit den Ereignissen in Ägypten in Zusammenhang gebracht. Deutlich unter den Protesten gelitten haben aber vor allem die arabischen Aktien. So ist die Marktkapitalisierung der Börse Kairo am 26. und 27. Januar um 16% bzw. 12 Mrd. Dollar abgestürzt. Seither ist die Börse geschlossen. Der Tadawul-Index Saudi-Arabiens hat auf Wochenbasis knapp 3% eingebüßt. Allerdings hat der steigende Ölpreis die Verluste des Tadawul begrenzt. Abwärts ging es auch für den KSE-Index aus Kuwait. Er gab im Wochenverlauf um 2,4% nach. Wesentlich schwächer fielen die Reaktionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten aus: Dubai und Abu Dhabi büßten in den fünf Handelstagen weniger als 1% ein.

Kaum verschuldet

Gestiegen ist unterdessen die Rendite ägyptischer Staatsanleihen. Zehnjährige Titel rentieren inzwischen auf einem Rekordniveau von mehr als 7% - was allerdings nicht als besonders hoch erscheint, wenn man die Renditen einiger Peripheriestaaten der Europäischen Union zum Vergleich heranzieht. Einer Studie der französischen Investmentbank Crédit Agricole CIB zufolge verliert das Land an jedem Tag, an dem es durch die Proteste paralysiert ist, rund 230 Mill. Euro. Die Analysten haben ihre Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt Ägyptens im laufenden Jahr von 5,3 auf 3,7% zurückgenommen. Allerdings ist der ägyptische Staat - im Gegensatz zu Griechenland und Irland - kaum verschuldet.

Trotz der überwiegend negativen kurzfristigen Reaktionen darf man davon ausgehen, dass die Veränderungen, die in Ägypten geschehen, für Anleger mittel- und langfristig höchstwahrscheinlich positiv sind. Was sich derzeit in Nordafrika und im arabischen Raum beobachten lässt, läuft darauf hinaus, dass sich die Bevölkerung korrupter Eliten entledigen will, die sich über Jahrzehnte schamlos bereichert und dabei in ihren jeweiligen Ländern für Stagnation gesorgt haben. Die Stagnation lässt sich an der Armut breiter Bevölkerungsschichten ablesen, aber auch daran, dass etwa die Börse Kairo eine niedrigere Marktkapitalisierung hat als Daimler.

Großes Potenzial

Analysten sind sich darin einig, dass Länder wie Ägypten ein großes Potenzial haben. So hat Goldman Sachs Ägypten schon vor einigen Jahren auf die Liste der "Next Eleven" gesetzt, damit also zu den elf Staaten gezählt, die sich durch eine große Bevölkerungszahl, ein überdurchschnittliches Wachstumspotenzial und die Aussicht auf einen kräftigen Anstieg des privaten Konsums auszeichnen. Dieses Potenzial gilt es zu wecken, wobei die politische Entwicklung in der Türkei als Vorbild dienen könnte. Zahlreiche Studien weisen nach, dass Demokratie und wirtschaftlicher Erfolg stark positiv korreliert sind. Allerdings ist auch ein deutlich negativeres Szenario denkbar: Es ist bei weitem nicht ausgeschlossen, dass islamistische Elemente - obwohl in der Minderheit - sich der Revolution in Ägypten bemächtigen und das Land nach iranischem Vorbild umformen. Wie das Beispiel Iran zeigt, würde dies letztlich nur eines bedeuten: Die bisherige korrupte und inkompetente Regierung würde durch eine andere ersetzt und das Land noch mehr in den wirtschaftlichen Niedergang getrieben.

Quelle: Börsen-Zeitung

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