"nd.DerTag": Purer Eigennutz - Kommentar zur Ankündigung Israels, wieder Hilfslieferungen nach Gaza zu erlauben
Dass die israelische Regierung endlich wieder Hilfslieferungen in den Gazastreifen lassen will, ist eine gute Nachricht. Eigentlich. Die Einschränkung muss sein, weil diese Entscheidung erstens weit überfällig ist. Wer mehr als zwei Monate lang die Menschen in dem weitgehend zerstörten Territorium von Lebensmitteln, Sanitär- und Medizinbedarf abschneidet, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, massenhaftes Aushungern der Zivilbevölkerung als Kriegswaffe einzusetzen. Und zweitens erliegt das Kabinett Netanjahu keineswegs humanitären Anwandlungen. Israel nimmt die Hilfslieferungen wieder auf, weil seine Unterstützer langsam unruhig werden. Und weil, so Netanjahu, eine drastische Hungersnot in Gaza die israelische Militäroffensive gefährden könnte.
Das ist an Zynismus schwerlich zu überbieten. Geht es darum, dass eine Bevölkerung, die man weiter kreuz und quer durch den Gazastreifen scheuchen will, noch halbwegs fit sein muss? Gerade erst wurden die Bewohner des südlichen Gazastreifens zur Evakuierung aufgefordert. Wer bleibt, gerät in Bombenangriffe; die Tausenden auf der Flucht landen im nächsten Elend.
Israels jüngste Kriegsoffensive zielt auf die komplette, dauerhafte Besetzung des Palästinensergebiets. Für die Zerstörung der Hamas wird "das, was vom Gazastreifen übrig geblieben ist, ausgelöscht", sagt ein Minister Netanjahus. Das geht weit über jedes Recht auf Selbstverteidigung gegen islamistische Angriffe hinaus; das ist Vernichtungswille. Im Hintergrund stehen absurde Umsiedlungspläne, um Gaza von Palästinensern zu säubern. Denen wird angesichts von etwa 50.000 Kriegstoten die Debatte egal sein, ob man von Genozid sprechen darf oder nicht. Sie werden sich über jeden Sack Reis oder Mehl freuen. Der aber an ihrem dramatischen Schicksal kaum etwas ändert.
Quelle: nd.DerTag / nd.DieWoche (ots)