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Mittelbayerische Zeitung: Rio für den Alltag - Noch immer gibt es Berührungsängste mit Behinderten -

Archivmeldung vom 07.09.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.09.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Gerne wird die Wertigkeit eines Sportereignisses nach Zuschauern in Zehntausenden, Hunderttausenden, am allerbesten in Millionen gemessen. Doch nicht alles ist - obwohl nicht weniger interessant - in gleicher Weise massentauglich. Siehe Frauenfußball: Da kann die Nationalmannschaft noch so viele Erfolge vom Weltmeistertitel bis zum Olympiasieg erringen - ein bei jedem Spiel ausverkauftes Stadion wird es in der Bundesliga trotzdem nicht geben, auch nicht bei Spitzenteams wie dem VfL Wolfsburg, dem FC Bayern München oder Turbine Potsdam. Behindertensport ist darüber hinaus ein heikles Thema, obwohl "Inklusion" ja derzeit in aller Munde ist.

Es ist ein in unseren Tagen leider zu oft und gerne auch mal falsch angewendeter, sogar missbrauchter Modebegriff geworden. Inklusion klingt immer gut - aber sie zu leben ist nicht leicht und schon gar nicht auf Knopfdruck zu schaffen, nur weil der Begriff sich so gut verkauft. Echte Inklusion hat eine ganz einfache Definition: Sie bedeutet, Belange gehandicapter Menschen so gut zu berücksichtigen, dass sie so gut wie irgend möglich mit ihrem Nachteil leben können. Das klingt sehr einfach, ist es aber nicht. Behinderte sorgen bei Nicht-Behinderten allzu oft noch für Berührungsängste, Unsicherheit und Hemmschwellen. Diese Hindernisse lassen sich abbauen.

Im und mit Sport gelingt das besonders gut. Heute beginnen in Rio de Janeiro die siebten Paralympischen Spiele einer neuen Zeitrechnung: Erst seit Barcelona 1992 finden sie jeweils drei Wochen nach den Olympischen Spielen und am selben Ort statt. Es hat sich immens viel getan in diesen 24 Jahren. Aus dem "Ach, das gibt's ja auch noch"-Ereignis wird zusehends eine gleichwertig wahrgenommene olympische Fortsetzung. Zwar hat paralympisches Gold noch nicht den Stellenwert der Hauptspiele. Sicher werden nicht Milliarden vor den Fernsehschirmen sitzen. Aber zur Erinnerung: Schon bei Olympia beklagten sich golddekorierte Sportler darüber, dass ihnen nur ein paar Tage Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch sie wünschten sich, die Berichterstattung würde übers Jahr weitergehen.

Bei den Paralympics geht es für die Sportler um den Wettbewerb und für das Publikum darum, zu erkennen, was diese Sportler leisten, ihre Leistung zu respektieren und wertzuschätzen und ihr den angemessenen Platz einzuräumen. Mit ein wenig Training nebenbei ist auch bei den Paralympics schon lange kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

Die Leistungen sind sehr ansehnlich, ja erstaunlich. Was natürlich gleich auch die Schattenseite offenbart: Doping ist auch Teil des Behindertensports geworden. Dass aber die Russen bei den Paralympics komplett ausgeschlossen, bei Olympia hingegen nur teilweise rausgeworfen wurden, zeigt nur, dass es nicht einmal bei der Ächtung von Doping völligen Einklang von Behinderten und Nicht-Behinderten gibt. Es ist noch viel zu tun.

Menschen neigen dazu, sich "schöne" Erfolgreiche zu suchen. Die Olympiasiegerin mit Model-Potenzial wird umlagert und bekommt Werbeverträge. Wer optisch weniger hervorsticht, wird eher nur hingenommen. Schon an dieser Stelle kann sich der Betrachter in Fairness üben. Im Behindertensport hat es sogar noch mehr Nachgeschmack, wenn vornehmlich Sportler gezeigt werden, die nah an dem sind, was wir als normal empfinden und deren Behinderung auf den ersten Blick vielleicht gar nicht zu erkennen ist.

Manche Handicaps rufen wohl zunächst ein "unangenehmes" Gefühl hervor. Hemmschwellen eben. Die Darstellung des Behindertensports in seiner ganzen Breite kann durchaus dazu beitragen, die Hindernisse abzubauen und deutlich zu machen, was eigentlich sofort jeder sieht, wenn er es nur sehen will: Die Menschen, die bei den Paralympics Medaillen gewinnen oder einfach nur eine für sie starke Leistung zeigen, sind wie alle anderen Sportler auch.

Sie sind mit vollstem Herzen und Leidenschaft dabei, trainieren und suchen den Erfolg. Das ist die wichtigste Mission für Rio de Janeiro, Teil II: in der Wertschätzung wieder ein paar Schritte voranzukommen. Ganz unabhängig von Millionen Zuschauern und der Anzahl der deutschen Edelmetalle. Und noch erfolgreicher sind die Spiele von Rio, wenn diese Fortschritte auch im Alltag der Menschen ankommen.

Quelle: Leitartikel von Claus-Dieter Wotruba - Mittelbayerische Zeitung (ots)

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